15.8.2005 - ZEIT online/dpa
Der Pop, der Papst und die Politik
Der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren besucht Deutschland und auf Köln rollt mit dem Weltjugendtag vom 16. bis zum 21. August ein Mammutereignis zu. Das katholische Kirchenoberhaupt spricht mit deutschen Juden, Papst Benedikt XVI. begegnet 400.000 jungen Gläubigen aus aller Welt, Kirchenkritiker prangern die Haltung des Vatikans zu Sexualität und Verhütung an, Spitzenpolitiker geben einander bei Audienzen die Klinke in die Hand, Benedikt XVI. fährt auf einem Schiff den Rhein hinab durch Köln, und 6.600 Journalisten analysieren, ob der neue Papst auf die 800.000 Menschen beim Abschlussgottesdienst ähnlich zu wirken vermag wie sein charismatischer Vorgänger Johannes Paul II.
Der hatte die Weltjugendtage vor 20 Jahren erfunden, und er wird auch in Köln präsent sein - nicht nur in Form eines riesigen Posters gegenüber dem Kölner Dom, das sich aus mehr als 100.000 Fotos seiner Fans aus aller Welt zusammensetzt. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner beschreibt das so: »Wir haben den ersten Weltjugendtag mit zwei Päpsten: Johannes Paul II. macht von oben mit, und Benedikt XVI. von unten.«
Johannes Paul II. konnte Jugendliche in seinen Bann ziehen: »Christus fordert euch auf, gegen den Strom zu schwimmen.« Das traf den Nerv. Für sein Charisma war keine Menschenmenge zu groß, kein Platz zu weit. Nun richten sich alle Augen auf seinen Nachfolger Benedikt XVI. Was wird von ihm ausgehen, wenn er vom »Papsthügel« auf dem Marienfeld westlich von Köln am 21. August während der Abschlussmesse zu der in der Ebene versammelten riesigen Gemeinde sprechen wird? Ob auf dem Rheinschiff bei der Ankunft, in Audienzen mit Bundeskanzler und Oppositionschefin, beim Besuch einer Synagoge oder im Gespräch mit Muslimen - immer wird der Papst im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Skeptiker befürchten schon, der eigentliche Anlass der Papstreise, das Treffen mit dem christlichen Nachwuchs aus aller Welt, könnte dadurch ins Hintertreffen geraten. »Es könnte sein, dass die Jugendlichen etwas zur Staffage werden«, warnt Knuth Erbe, der Vorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend. Einen echten Dialog über Themen wie Sexualität oder Frauenpriestertum wird es auf dem katholischen Weltjugendtag in Köln nach Ansicht von Christian Weisner von der Reformbewegung »Wir sind Kirche« sowieso nicht geben. »Das sind Tabu-Themen. Da kann kein Bischof abweichen, oder er wird nicht mehr lange Bischof sein.«
Dabei hat die Mehrheit der Weltjugendtags-Teilnehmer über bestimmte Themen immer schon anders gedacht als der Papst: »Die Kondomverbote und die Einstellung des Vatikans, die eine Aids-Prävention zum Beispiel in Afrika verhindert - das wird auch von vielen Jugendlichen sehr kritisch gesehen.«
An Programmpunkten für solche Debatten wird es auf dem Weltjugendtag nicht fehlen. Mehr als hundert Diskussionsrunden wird es geben. Aids und Armut, Globalisierung und Gerechtigkeit kommen zur Sprache. Aber auch Spiritualität hat ihren Platz. »Ich kenne keine Großveranstaltung mit so vielen Momenten der Stille und des Nachdenkens«, sagt Prälat Heiner Koch, der Generalsekretär des Weltjugendtags. Zum Beispiel die Domwallfahrt: Alle 400.000 Teilnehmer sollen binnen dreier Tage zum Dreikönigsschrein pilgern. Die Bänke wurden aus dem Dom geräumt, und für fotografierende Touristen ist er weitgehend gesperrt. Chöre sorgen ununterbrochen für religiöse Live-Musik - eine »himmlische Sphäre« wollen die Organisatoren in der Kölner Kathedrale entstehen lassen.
Der katholische Reformer Christian Weisner sieht das kritisch: »Die Jugend braucht Vorbilder, aber die Frage muss gestellt werden, welche Botschaft die Organisatoren hiermit verbinden. Vorbilder ja, aber bitte keinen Kult um Reliquien, deren Herkunft ohnehin äußerst fragwürdig ist.«
Daneben gehört für alle jungen Pilger die Katechese, die Unterweisung im Glauben also, zum Programm. Mehrere hundert Bischöfe schwärmen in Kirchen, Gemeindesäle und Hallen aus, um zu predigen. Kardinal Meisner ist sicher, dass es nicht nur eine einseitige dogmatische Belehrung wird, sondern dass die Bischöfe dadurch viel über die Überzeugungen und Zweifel der jungen Menschen erfahren werden: »Wenn ein Bischof davor Lampenfieber hat, kann ich das verstehen, aber dann wird die Katechese gut.«
Der Weltjugendtag wird auch logistisch ein Ereignis. Busse und Bahnen fahren beinahe ununterbrochen, Schulen und Turnhallen sind jetzt Herbergen, im Erzbischöflichen Haus wohnt der Papst, Gullydeckel wurden zum Schutz vor Terroranschlägen verschweißt, und eine Autobahn dient als Busparkplatz. Die Kölner sehen es gelassen: »Am Rosenmontag sind immer mehr als eine Million Jecken in Köln und haben Spaß, warum sollte das beim Weltjugendtag anders sein«, meint eine Karnevalistin, die bereits ans nächste Großereignis denkt.
Zuletzt geändert am 14.12.2006