21.5.2005 - ZEIT online, dpa
Spenden statt Steuern
Nach Äußerungen des Kirchentagspräsidenten Prof. Eckhard Nagel ist eine Debatte zur Abschaffung der Kirchensteuer entbrannt. Evangelische Landeskirchen und katholische Bistümer lehnen solche Überlegungen klar ab. Nagel hatte der Nachrichtenagentur dpa gesagt: »Ich persönlich glaube, dass wir uns auf lange Sicht von der Kirchensteuer trennen sollten.« Vielmehr sollten freiwillige Beiträge und Spenden zur Finanzierung angestrebt werden. Nach kritischen Reaktionen relativierte Nagel seine Aussagen: Er halte eine Ergänzung zur Kirchensteuer für notwendig wie etwa neue Stiftungsmodelle oder ein Kirchgeld, das es in einigen Bundesländern bereits gibt.
Der Finanzexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Oberkirchenrat Thomas Begrich, sagte in einem dpa-Gespräch: »Die Kirchensteuer wird gebraucht.« Die Einnahmen ermöglichten, dass die Kirche eine Fülle von Aufgaben übernehmen könne. Bei einer Abschaffung hätte er »Sorge, dass in ganzen Regionen ein lebendiges Gemeindeleben ebenso wie übergemeindliche Aufgaben Schaden nehmen würden«, meinte Begrich. Die Kirchensteuer ist in Deutschland an die Lohn- und Einkommenssteuer gekoppelt und wird von den Finanzämtern festgesetzt.
»Das Modell der Kirchensteuer hat sich aus unserer Sicht bewährt. Ohne sie wäre ein Teil gerade des sozialen Engagements der Kirchen nicht möglich«, sagte auch die Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn, Martina Höhns. Die Kirchensteuereinnahmen nehmen stetig ab - unter anderem wegen der Steuerreformen, der Arbeitslosigkeit und des demographischen Wandels. Auch in der hannoverschen Landeskirche stießen die Äußerungen Nagels auf Ablehnung.
Der Sprecher des Bistums Hildesheim, Michael Lukas, sagte, er glaube nicht, dass - nach amerikanischem Vorbild - freiwillige Beiträge die Steuer ersetzen könnten. »In Amerika gibt es eine ganz andere Mäzenaten- und Spendermentalität. Eine entsprechende Kultur müsste hier erst entwickelt und aufgebaut werden.« Einen Beitrag dazu könnten die Bemühungen beim Fundraising leisten. »Als erstes Bistum in Deutschland haben wir eigens ein Fundraising-Büro eingerichtet«, sagte Lukas. Aufgabe des Büros in Goslar sei es, Menschen für eine finanzielle Unterstützung konkreter Projekte zu begeistern.
»Die Kirchensteuer ist eine Möglichkeit der verlässlichen und gerechten Finanzierung und macht die Kirche dadurch unabhängig«, sagte der Sprecher des Erzbistums Köln, Christoph Heckeley. Eine auf freiwilligen Beiträgen basierende Finanzierung hält er für riskant: »Dann gäbe es für größere Spendenzahler die Versuchung, Einfluss nehmen zu wollen.« Das Erzbistum Köln nahm im vergangenen Jahr 637 Millionen Euro durch Kirchensteuern ein, 56 Millionen Euro weniger als 2003.
Die katholische Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche« hält Nagels Vorstoß für »überlegenswert«. »Es ist gut, dass Herr Nagel dieses Tabu gebrochen hat«, sagte Sprecher Christian Weisner in Hannover. »Er hat ja eigentlich nur offen ausgesprochen, dass angesichts von Steuerreformen auch die Kirchensteuer nicht unbedingt auf Dauer gesichert ist.« Die Kirchen müssten viel deutlicher machen, wofür sie die Kirchensteuer eigentlich verwenden. An solchen Entscheidungen sollten vor allem in der katholischen Kirche die Laien stärker beteiligt werden.
Zuletzt geändert am 22.01.2007