10.3.2015 - KNA
Die Zeit des Schwärmens ist vorbei
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)
Bonn (KNA) Ähnlich wie Politiker sind auch Päpste den Fieberkurven der veröffentlichten Meinung ausgesetzt. Man erinnere sich: Papst Johannes Paul II. (1978-2005) durchlief nach der Hochstimmung der ersten Jahre ein langes Tal der Tränen und des Trotzes gegen sein vom "erzkonservativen polnischen Katholizismus" geprägtes Pontifikat - um sich dann in den letzten fünf Amtsjahren mit seinem zähen Widerstand gegen die Parkinson-Krankheit und gegen den Washingtoner Weltimperialismus unerwartet neuen Respekt zu verdienen.
Bei Benedikt XVI. (2005-2013) verlief die Kurve umgekehrt und steiler: Sie begann mit einem skeptischen Schock über die Wahl des konservativen Vordenkers zum Papst. Es folgte Jubel über die scheinbar milder gewordene römische Vaterfigur. Und am Ende stand wieder Kopfschütteln: über seine Zugeständnisse an die Traditionalisten, sein Nein zu Reformen, sein Festhalten an alten Riten und Dogmen.
Die Meinungskurve für Papst Franziskus, dessen Wahl sich am Freitag (13. März) zum zweiten Mal jährt, macht in der deutschen Öffentlichkeit gerade die erste Delle durch. Eineinhalb Jahre war er fast durchgehend bejubelt worden: für seine Gesten der Armut und der Menschlichkeit; für seinen erklärten Willen, verkrustete Strukturen in der römischen Kurie und in der Vatikanbank aufzubrechen; für seine Ankündigung, die Barmherzigkeit Jesu auch in Fragen der Sexualmoral in den Vordergrund zu rücken und überkommene Gesetze und Dogmen im Licht der Barmherzigkeit zu hinterfragen.
Selbst Kirchenferne äußerten spontan Sympathie. Eher vatikankritisch gesinnte Blätter wie "Der Spiegel" oder "Die Zeit" wetteiferten im Lob für den Reformpapst aus Buenos Aires. Übertroffen wurden sie noch von der FAZ und der Kirchenredaktion des ZDF, deren Redakteure in Artikeln, Dokumentarfilmen und Büchern die lateinamerikanischen Wurzeln des Papstes als Quelle frischer Impulse und neuer Kraft für die katholische Weltkirche beschrieben.
Auch in der kirchlichen Publizistik gab es rechts wie links lange nur Jubeltöne. Ob "Vatican Magazine" oder "Tagespost", ob "Christ in der Gegenwart" oder "Publik Forum" - selbst in den Pressemitteilungen von "Wir sind Kirche" gehörten Sympathien für den Papst zum guten Ton. Anders als der deutsche Vorgänger polarisierte er nicht. Das Wochenblatt "Christ und Welt" berichtete unter Rubriken wie "Franziskus' Frühling" und später "Franz & Friends" von all den römischen Neuerungen des Revolutionärs in Weiß.
Doch nicht nur dort mischt sich spätestens seit dem Papstzitat über das Schlagen von Kindern in der Erziehung Anfang Februar Kritik und manchmal auch ein Unterton an Häme in den Chor der Zustimmung. Plötzlich entdeckt man, etwa auch beim "Spiegel", dass Franziskus mehr als nur einmal Dinge sagt, die manchen deutschen Zuhörer verstören. Noch hat niemand seine immer wiederkehrende Warnung vor dem Teufel aufgegriffen, der die Kirche und die Christen in Verwirrung stürzen wolle.
Beim Homosexuellen-Portal "queer.de" weist man empört darauf hin, dass der Papst die "Gender-Ideologie" als Kulturimperialismus kritisiert. Die "FAS" bezeichnete Franziskus inzwischen als eine "lose Kanone", die immer wieder für unkontrollierte und wenig heilsame Äußerungen gut sei. Eine gemischte, aber im Kern immer noch positive Bilanz zog hingegen die "Süddeutsche Zeitung" kurz vor dem Pontifikatsjubiläum. Sie erinnerte daran, was Franziskus schon alles in erstaunlich kurzer Zeit verändert habe - und gegen welche Widerstände er arbeite.
Das dritte Pontifikatsjahr werde ein "Jahr der Entscheidungen" sein, zitiert das Blatt einen anonymen Kurienmitarbeiter. In diesem Punkt sind sich in der kirchlichen und kirchenfernen Publizistik derzeit fast alle einig: Anders als bei seinen spontanen Äußerungen bewegt sich der Papst bei den strukturellen und theologischen Neuerungen auf einem Terrain, auf dem es nicht auf ihn allein ankommt. Hier muss er Skeptiker überzeugen, Verbündete gewinnen, Beharrende in Bewegung bringen. Ob und was Franziskus hier liefert, werden die Medien wohl nach einem weiteren Jahr zum entscheidenden Kriterium für seine "päpstliche Performance" machen.
Zuletzt geändert am 11.03.2015