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Veröffentlicht am 10­.05.2015

Mai 2015 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Für eine neue „Barmherzigkeit“! ?

Von Sigrid Grabmeier

„Gebt ihr ihnen zu essen“, sagte Jesus am See Genezareth, und die Apostel sagten: „Wir können nicht. Wir haben ja nicht genug.“ Dass es trotzdem genug für Alle gab, das hat Jesus dann auf wunderbare Weise gezeigt. So ist das heute auch noch. Die Bischöfe sagen: „Wir können nicht.“ Und es macht mich wütend, fassungslos.Wenn z.B. der smarte Bischof Oster aus Passau mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns feststellt, man müsse sich um die Menschen kümmern, deren Ehen gescheitert seien und die wieder geheiratet haben, aber zu den Sakramenten könne man sie nicht zulassen, da sie ja gegen das Gebot Jesu von der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen hätten. Und er versteigt sich soweit, Menschen, die mit einer zweiten Ehe einen neuen Anfang gemacht haben mit dem Bibelwort aus Lukas 13 zu bedrohen: „ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan!“

Kardinal Kasper hat in die ganze Diskussion zum Umgang mit nach Scheidung Wiederverheirateten den Begriff der Barmherzigkeit eingebracht. Und er betont, dass diese Tugend von der Kirche viel zu lange „kriminell“ vernachlässigt wurde. Recht hat er. Aber ist das wirklich das richtige Instrument? Ist diese Barmherzigkeit nicht viel mehr so etwas wie Herablassung gegenüber denen, die an von der Amtskirche über Jahrhunderte errichteten Hürden und Hindernissen scheitern? - So verstehen beide, der Kardinal und der Bischof, letztlich die Kirchenspielregeln als unabänderlich und auf Jesus zurückgehend.

Aber ist das wirklich so? In ihrem Brief an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Müller, haben die Theologieprofessoren Hermann Häring und Norbert Scholl ausführlich dargelegt, wie breit die Auslegungsmöglichkeiten der Bibelworte und vor allem, wie breit die kirchliche Praxis in der Alten Kirche, in den Orthodoxen Kirche und auch die Auffassung des Konzils von Trient waren.

So wäre es für die Synode geboten, anstatt ausgedroschenes Dogmenstroh weiter zu dreschen, sich nicht auf eine verhältnismäßige junge Engführung der kirchlichen Lehre zu beschränken, sondern in der Weite der ganzen Tradition und mit Blick auf Gegenwart und Zukunft tragfähige Lösungen zu suchen. Glaubwürdig und barmherzig wird unsere Kirche nicht dadurch, dass sie rigorose Regeln manchmal etwas nachsichtiger verfolgt sondern dadurch, dass ihre Regeln den Menschen helfen, in ihrem Leben zu bestehen.

Der Brief ist veröffentlicht in der Arbeitshilfe der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zur Familiensynode auf www.wir-sind-kirche.de.

Zuletzt geändert am 13­.05.2015