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Veröffentlicht am 29­.06.2015

29.6.2015 - Mittelbayerische

Ein Papst, der sich traut

Franziskus stärkt mit seiner Enzyklika alle, die sich für Schöpfungsverantwortung und eine gerechtere Welt einsetzen.

Von Sigrid Grabmeier

Vieles von dem, was Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato Si´“ schreibt, wurde schon vor über 40 Jahren von den Gründern der Greenpeace-Bewegung gefordert und in den vergangenen Jahrzehnten sowohl durch kirchliche Gruppen, die sich dem konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung verpflichtet fühlen als auch von Bischöfen und Päpsten formuliert. Ökologische Sünden, Änderung der Lebensweise, Konsumverzicht, Gemeinwohlökonomie… Neu ist die Dichte, der scharfe Blick auf die Zusammenhänge von Umweltverschmutzung, Ausbeutung der Natur und Armut, von Umweltschutz und Einsatz für eine gerechtere Welt. Neu ist auch die Unmittelbarkeit, mit der er sich an alle Menschen wendet. Ja richtig. Nicht nur an die Angehörigen der römisch-katholischen Kirche, nicht nur an die „guten Willens“, wie Johannes XXIII. in seiner Friedensenzyklika, nein, an alle Menschen, mit denen er „über unser gemeinsames Haus“ ins Gespräch kommen möchte.

Er blickt auf den Heiligen Franz von Assisi: „Ich nahm seinen Namen an als eine Art Leitbild und als eine Inspiration. (...) Ich glaube, dass Franziskus das Beispiel schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie ist. An ihm wird man gewahr, bis zu welchem Punkt die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar miteinander verbunden sind.“ Er lädt „dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten“ und legt den Finger in die Wunde der bisherigen Bemühungen um ein ökologischeres und gerechteres Zusammenleben: die Ablehnung der Machthaber und die Interessenlosigkeit der anderen.

Mit mehr als deutlichen Worten kritisiert er Technikgläubigkeit, Konsumorientierung und Ausbeutung des Planeten und warnt vor der Unterwerfung der Politik unter die Wirtschaft. Mit der Autorität seiner Person und seines Amtes positioniert er sich sehr deutlich zu den komplexen existenziellen Fragen der Menschheitsfamilie. Indem er dies auch aus der Sicht der am meisten von der Ausbeutung der Erde Betroffenen tut, scheut er nicht die Auseinandersetzung mit den bestehenden ökonomischen und politischen Machtstrukturen – auch nicht mit denen innerhalb der eigenen Kirche.

Dieses an die ganze Welt gerichtete Rundschreiben ist viel mehr als eine sozialökologische Analyse und Handlungsaufforderung. Es stellt uns als Einzelne in den Zusammenhang zur Schöpfung und zum Schöpfergott: „Die menschliche Person wächst, reift und heiligt sich zunehmend in dem Maß, in dem sie in Beziehung tritt, wenn sie aus sich selbst herausgeht, um in Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit allen Geschöpfen zu leben.“ So sind wir als Kirche in besonderem Maße aufgerufen, uns zu dieser Schöpfung zu bekennen und für sie einzutreten. Nach dem G7-Gipfel in Elmau und vor der Klimakonferenz in Paris zum Ende des Jahres stärkt die Enzyklika Christinnen und Christen, alle Menschen, die ihre Stimme erheben für die Einheit von Schöpfungsverantwortung und Armutsbekämpfung sowie ökologische, klimabewusste Produktionsweisen und Lebensstile.

Sigrid Grabmeier ist Vorsitzende der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche.

http://www.mittelbayerische.de/politik-nachrichten/ein-papst-der-sich-traut-21771-art1251599.html

Zuletzt geändert am 29­.06.2015