Juli 2015 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)
Böcke im Stall
Bei einem Podiumsgespräch jüngst in Regensburg arbeitete Pater Klaus Mertes SJ, der 2010 bei der Aufdeckung der Missbrauchstraditionen am Canisius-Colleg in Berlin in die Offensive gegangen war, heraus, dass die strukturelle Schuld insbesondere im Nicht-Zuhören, im Nicht-Glauben-Schenken, im Kleinreden und Verdrängen liegt. Er bezeichnete das als Fortsetzung der sexuellen Gewalt mit anderen Mitteln, da so das Erlebte immer wieder zur schmerzhaften Erinnerung wird. Gerade die innerkirchlichen, männerbündischen und männerorientierten Strukturen haben die fortgesetzte und systemische sexuelle Gewalt begünstigt und tun das immer noch – nicht nur gegenüber Kindern, auch gegenüber beispielsweise Ordensfrauen.
Mertes wies auf ein alarmierendes Zeugnis einer jungen Frau, Doris Wagner, hin, die in die Fänge einer der „Neuen geistlichen Gemeinschaften“ geraten war, einen Prozess der Entpersönlichung erlebte, sexuell missbraucht wurde und 2010 schaffte auszusteigen. Sie beschreibt in ihrem Buch „Nicht mehr ich“, wie sich diese Organisationen Gehör bei den Einflussreichen im Vatikan wie Ratzinger, Gänswein, Erdö und anderer verschaffen und ihr Programm durchsetzen, ihre Priester stecken in vielen vatikanischen Büros. Einer der Priester, der die junge Frau sexuell missbraucht und und dies auch zugegeben hatte, ist bis heute in der Glaubenskongregation tätig. (Anmerkung der Redaktion: Doris Wagner berichtete anonymisiert noch vor der Buchveröffentlichung über ihr Schicksal in Kirche In.) – Die Täter, denen Franziskus auf der Spur ist, sitzen also auch in der Glaubenskongregation. Die Zeitung Die Welt titelte „Papst Franziskus macht den Bock zum Gärtner“ … Vor dem Ausmisten des Stalles empfiehlt sich die Entfernung der Böcke.
Sigrid Grabmeier
Bundesteam Wir sind Kirche
Zuletzt geändert am 15.07.2015