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Veröffentlicht am 23­.10.2015

23.10.2015 - KNA

"Wir sind Kirche" blickt zurück und schaut nach vorn

Zwischen Jahrestagen und Weltbischofstreffen

Von Joachim Heinz (KNA)

Im Herbst 1995 überreichten katholische Laien die Ergebnisse ihres «Kirchenvolksbegehrens» den deutschen Bischöfen. 20 Jahre und zwei Päpste später ist die Gruppe «Wir sind Kirche» immer noch aktiv. Eine Zwischenbilanz.

Hofheim/Bonn (KNA) "Aufbau einer geschwisterlichen Kirche", "positive Bewertung der Sexualität", "Frohbotschaft statt Drohbotschaft": So lauteten einige Forderungen aus dem "Kirchenvolksbegehren", das 1995 rund 1,8 Millionen Bundesbürger unterzeichneten. Hinter dem Aufruf stand eine zunächst lose Gruppierung, die ihre Wurzeln in Österreich hatte und in Deutschland in der Folgezeit unter dem Namen "Wir sind Kirche" in die Öffentlichkeit trat. Auf ihrer bis Sonntag dauernden Bundesversammlung in Hofheim im Taunus will die Initiative nun eine Bilanz der vergangenen 20 Jahre ziehen.

Beim Blick zurück wird es nicht bleiben. Schließlich geht zur gleichen Zeit in Rom das Weltbischofstreffen zu Ehe und Familie zu Ende. "Dass die Kirche das Familienleben mit all seinen Konflikten und Herausforderungen - auch im Blick auf eine globalisierte Wirtschaft und die Migrations- und Flüchtlingsbewegungen - in den Blick nimmt, ist ein Verdienst an sich", schreibt "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner in einem Gastkommentar auf "Zeit online". Der Ton zwischen Kritikern und Bischöfen, so scheint es, ist im Vergleich zu den Anfangszeiten versöhnlicher geworden.

1995 wehte ein schärferer Wind - auf allen Seiten. Bei den Bischöfen stießen der Gestus und die mitunter pauschalen Forderungen des Kirchenvolksbegehrens sauer auf. "Der vielerorts gut gemeinte Einsatz zahlreicher Helferinnen und Helfer lässt sich nicht übersehen", erklärte der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, zu der Initiative, den Aktivisten und ihren Gesprächsvorstellungen: "Wir können jedoch trotz der Beteiligung so vieler in dem gewählten Verfahren des Kirchenvolksbegehrens keinen geeigneten Beitrag zu dem erwähnten Dialog sehen."

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das höchste Gremium der katholischen Laien in Deutschland, reagierte mit Verunsicherung. "Wieso waren wir nicht in der Lage, das aufzugreifen?", fragte der damalige Vizepräsident Werner Remmers. Er sprach von einer "kritischen Frage an uns" und forderte einen weiteren "sehr behutsamen und sensiblen Umgang" mit dem Thema. Konflikte blieben - neben Phasen der Annäherung - nicht aus. Auf konkrete Änderungen im Kirchenrecht oder in der offiziellen Lehre warten die Kritiker indes bis heute.

Unter Papst Franziskus könnte sich das ändern, hofft Weisner und blickt mit Spannung auf die Ergebnisse der Bischofssynode. Dass sich in diesem Jahr auch der Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, das wichtige Reformen in der Kirche anstieß, zum 50. Mal jährt und die Würzburger Synode, die über diese Reformen auf dem Gebiet der westdeutschen Bistümer beriet, 40 Jahre her ist, werten Weisner und seine Mitstreiter als gutes Omen.

Unklar ist, für wie viele Menschen "Wir sind Kirche" spricht. Eine offizielle Mitgliedschaft gibt es nicht. Weisner verweist auf Studien nach denen unter den Katholiken, die sich ihrer Kirche verbunden fühlen, zwei Drittel Reformen beispielsweise bei der Sexualmoral oder dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen befürworten. "Diesen Menschen wollen wir eine Stimme geben."

Die Referentenliste der Bundestagung legt zumindest den Schluss nahe, dass die Gruppe nach 20 Jahren eine gewisse Akzeptanz auch bei etablierten Organisationen genießt. ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann reist ebenso in den Taunus wie der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Wolfgang Ehrenlechner, und der Rektor der Jesuitenhochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig.

In Rom wird Papst Franziskus unterdessen das Weltbischofstreffen beenden. Das Abschlussdokument der Synodenbischöfe werde vermutlich ein "wohlklingendes, aber schwammiges Papier" sein, mutmaßt Weisner. Über das weitere Vorgehen wird ohnehin Franziskus persönlich entscheiden. Zu ihm fühle man eine "große inhaltliche Nähe", so Weisner. Entscheidend sei, ob die Bischöfe dem Kurs des Papstes folgen. "Wir sind Kirche" bleibt ein kritischer und mitunter unbequemer Beobachter des Geschehens.

Zuletzt geändert am 26­.10.2015