Juli 2016 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)
„Mach´s wie Gott – werde Mensch!“
Dieser etwas flapsige Satz des früheren Limburger Bischofs Franz Kamphaus steht als Motto über dem gemeinsamen Ratschlag der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, der Leserinitiative Publik Forum und des Instituts für Theologie und Politik Münster in Wittenberg vom 21.-23. Oktober 2016, im Vorfeld des Reformationsjubiläums. Er birgt mehr Brisanz, als es vielleicht auf den ersten Blick scheinen möchte.
Die Vorstellung, dass Gott Mensch wurde kam erst im 4. Jahrhundert auf und war für Menschen des hellenistischen Kulturkreise zwar äußerst plausibel, hat aber letztlich nur das Scheunentor der Spekulation weit aufgemacht und tiefgreifende Gräben zwischen den Anhängerinnen und Anhängern des Jesus von Nazareth aufgeworfen. - Und schon sind wir mittendrin im Thema. Mit welchem Gottes- und Menschenbild sind wir als Christinnen und Christen denn heute unterwegs? Ist es uns nicht in besonderer Weise aufgegeben, immer mehr Mensch zu werden? Wie können wirklich alle Menschen überhaupt erst einmal die Möglichkeit haben, in Würde Mensch zu sein? Welche Antworten haben wir auf die weltweiten Herausforderungen durch die aktuellen Krisen und Katastrophen? Wie prägt die Liturgie unser Gottesbild und wie wirkt ein verändertes Gottesbild auf unsere Sprache in Gebet und Feiern? Muss man Reformation nicht ganz radikal neu denken?
Die Botschaft des Jesus von Nazareth, der das Gebot der Nächstenliebe des Dekalogs in eine andere, radikale Dimension gestellt hat, hat das Menschenbild, das Verhältnis zum Menschsein revolutioniert. An die Stelle des Hasses gegen den Feind setzte er Respekt und Achtung vor dem Menschen, an die Stelle des Rechts des Stärkeren das Recht der Schwachen, an den Rand Gedrängten. „Die Letzten werden die ersten sein.“
Es war Martin Luther, der mit seinen Thesen „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ die Ideen des von Italien ausgehenden Humanismus zu Forderungen an die kirchliche Sichtweise des Menschen, der Gläubigen formuliert hat. Auch er hat damit dazu beigetragen, dass die Botschaft Jesu neu verstanden wurde. Die Weiterentwicklung der christlichen Religion ist ohne Reformation, deren bekanntester Vertreter Luther ist, die im 16. Jahrhundert jedoch aus verschiedensten Quellen gespeist wurde, gar nicht denkbar.
Und nach wie vor gilt sein Satz: Ecclesia semper reformanda. Es geht um weit mehr, als um Reformen, es geht um eine Reformation, die an die Wurzeln geht, angesichts der Krisen in der Welt, die die ganze Menschheit betreffen. Mensch, werde Mensch!
Weitere Informationen: www.wir-sind-kirche.de
Zuletzt geändert am 18.07.2016