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Veröffentlicht am 01­.04.2017

April 2017 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

Ein wirklich großer Theologe?

Am 16. April vor 90 Jahren wurde Joseph Ratzinger geboren, vor zwölf Jahren am 19. April zum Papst gewählt. Da bezeichnete er sich als einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn. Doch was allgemein als Ausdruck der Bescheidenheit gewertet wurde, war in Wirklichkeit eine Kampfansage an eine sich wissenschaftlich gebende Theologie in Zeiten schlimmster Krise.

Den Vorlesungen in Bonn, Münster oder Tübingen des anfangs sehr aufgeschlossenen jungen Theologen sind auch viele aus der KirchenVolksBewegung mit Begeisterung gefolgt. Kardinal Frings berief ihn zu seinem Konzilsberater. Die von Hans Küng entworfene Erklärung „Für die Freiheit der Theologie“ hat er mitunterzeichnet. Doch die Studentenunruhen der 1968er Jahre waren dann das einschneidende Erlebnis der Verunsicherung, das ihn nach Regensburg führte und sein weiteres Handeln geprägt hat.

Es folgte eine steile Kirchenkarriere: 1977, allerdings ohne pastorale Praxiserfahrung, zum Erzbischof von München und Freising ernannt, schon drei Monate später ins Kardinalskollegium aufgenommen, Ende 1981 von Johannes Paul II. nach Rom geholt. Dort wirkte er nahezu 24 als Nummer zwei und nahezu 8 Jahre als Nummer eins. Früher selber Konzilsberater, versuchte er immer wieder, die Aufbrüche des Zweiten Vatikanischen Konzils zu bremsen. Die Liste von Personen, die in seiner Zeit als Glaubenspräfekt untersucht, diszipliniert oder exkommuniziert wurden, ist lang. Auch gegen Wir sind Kirche intervenierte er mehrfach.

Nach seiner Wahl zum Papst wandelte sich das öffentliche Erscheinungsbild sehr rasch. Doch darf nicht vergessen werden, wie sehr Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation mehr als 23 Jahre lang Lehrverbote ausgesprochen, die Theologie der Befreiung verurteilt, Frauen in der Kirche ausgegrenzt und die Ökumene mit den Kirchen der Reformation eingegrenzt hat. Der unter seiner Ägide entstandene theologische und pastorale Stillstand sowie das Klima der innerkirchlichen Angst und Erstarrung wirken immer noch nach.

Ist Joseph Ratzinger nun wirklich ein grosser Theologe, wie viele meinen? Peter Seewald lobt ihn in höchste theologische Höhen als einen „Kirchenlehrer der Moderne, wie es ihn nicht mehr geben wird“. Aber hat er wirklich Neues in die Theologie eingebracht, die Kirche für die Zukunft geöffnet? Oder ist er nicht bei den Kirchenvätern und der Neuscholastik stehengeblieben? Den unter ihm 1992 veröffentlichten „Weltkatechismus“ hat er 2005 als Papst inhaltlich unverändert als „Kompendium des Katechismus“ herausgegeben. Das Buch entspricht in keiner Weise dem Stand der heutigen Theologie, der Exegese und der theologischen Ethik. Und manche bezweifeln, ob er die Aufklärung, die er so heftig kritisierte, überhaupt in ihrer ganzen Dimension richtig verstanden hat.

Was wird von Ratzinger/Benedikt außer seinen unzähligen Schriften in Erinnerung bleiben? Am Ende vielleicht nur sein Eingeständnis, dem Papstamt doch nicht gewachsen gewesen zu sein. Das war mutig und ist anerkennenswert. Noch besser wäre es gewesen, wenn er auch in den Kardinalstand zurückgetreten wäre und die weiße Soutane abgelegt hätte. Trotz alledem: Gottes Segen und alle guten Wünsche zur Vollendung des 90. Lebensjahres!

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 31­.03.2017