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Veröffentlicht am 10­.05.2017

Mai 2017 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Liturgie als „öffentlicher Dienst“

von Sigrid Grabmeier

Seit Jorge Mario Bergoglio Papst ist, hat die Fußwaschung am Gründonnerstag eine neue Qualität erhalten. Sie ist Zeichen des „Sklavendienstes“ und der Unterordnung. So wie sie im Johannesevangelium dargestellt ist sogar Aufkündigung einer Rangfolge oder „Hierarchie“. Die aber konnte ich in den bisherigen bischöflichen Fußwaschungen kaum erkennen. In der Regel wurden verdiente Geistliche oder kirchlich engagierte Männer und Frauen dazu ausgewählt, als anerkennende Wertschätzung, aber nicht als Ausdruck einer grundsätzlichen Änderung der festgezurrten „heiligen“ Ordnung.

Franziskus hat mit seinen Fußwaschungen ganz neue Zeichen gesetzt: 2013 und 2015 in einem Gefängnis, 2014 bei Behinderten, 2016 in einem Asylbewerberheim und dieses Jahr in der „Festung der Unsichtbaren“ für Häftlinge, die gegen die Mafia ausgesagt haben. Das regelmäßige Aufheulen der Traditionalisten bei diesen Verstößen gegen ihre Vorstellung von Liturgie bringt am besten zum Ausdruck, welchen Paradigmenwechsel er damit einschlägt. So schreibt etwa Guiseppe Nardi auf der Seite „katholisches.info, MAGAZIN FÜR KIRCHE UND KULTUR“ am 7. April 2017: „Traditionell zelebrierten die Päpste den Gründonnerstag daher nicht im Petersdom, sondern in der Lateranbasilika. … Durch den Ausschluß der Öffentlichkeit von der päpstlichen Gründonnerstagsliturgie erhält die Geste der Fußwaschung, durch nachträgliche Veröffentlichung der entsprechenden Photos, zudem ein Übergewicht, durch das andere, wichtigere Momente dieser Liturgie in den Schatten gestellt werden. Dazu gehört vor allem die Einsetzung der beiden zentralen Sakramente: das Priestertum und die Heilige Eucharistie.“ Weiter unterstellt der Autor Franziskus „Unbedarftheit im Umgang mit der heiligen Liturgie“.

Abgesehen davon, dass die Behauptung, mit dem Abendmahl sei das Priestertum eingesetzt worden, jeglicher Grundlage entbehrt, versteht Franziskus Liturgie nicht unbedarft. Er versteht sie im Ursinne der Übersetzung: „öffentlicher Dienst“, Dienst der Wohlhabenden an den Bedürftigen. - Gottesdienst wird Menschendienst.

Wie würde unsere Kirche heute aussehen, wenn sich in der Kirchengeschichte anstatt der Feier der Eucharistie die Feier der Fußwaschung durchgesetzt hätte? Und wenn einer der zentralen Sätze unserer Liturgie wäre: „Ich bin euer Lehrer und Herr – wenn nun ich euch die Füße gewaschen habe, dann seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr füreinander tut, was ich für euch getan habe.“ ?

Zuletzt geändert am 13­.05.2017