| |
Veröffentlicht am 07­.11.2017

28.10.2017 - Neu-Ulmer-Zeitung

Baustelle Pfarrgemeinde

Bundesversammlung. Die Bewegung „Wir sind Kirche“ trifft sich in Ulm und will über mehr Verantwortung für Laien diskutieren. Eine Initiative aus der Stadt gilt als Beispiel dafür

VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Während in der Stadt an Straßen, Schienen und Häusern gebaut wird, eröffnet die katholische Bewegung „Wir sind Kirche“ eine eigene Baustelle in Ulm. Eine Baustelle, die nach Ansicht der Gläubigen der Kirchenvolksbewegung überfällig ist. Die Mitglieder diskutieren noch bis Sonntag über notwendige Entwicklungen in der Kirche. Die Bundesversammlung der Bewegung ist zum ersten Mal in Ulm zu Gast.

Diskutiert werden soll über die Rolle der Kirchengemeinde und die Aufgabenverteilung dort. Den katholischen Gemeinden in ganz Deutschland gehen die Priester aus, immer wieder werden Pfarreien aus diesen Gründen zusammengelegt. „In Ulm sind wir da noch sehr privilegiert“, findet der Theologe Willi Knecht, der der katholischen Gemeinde in Böfingen angehört und Mitglied mehrerer kirchlicher Gremien ist. Die elf Pfarreien Ulms sind zu einer Gesamtgemeinde zusammengeschlossen, eine Handvoll Priester kümmert sich um sie.

Das ist ein Teil der Arbeiten, die die Bewegung anpacken will. Sollen es nur Geistliche sein, die wichtige Aufgaben übernehmen? Magnus Lux aus dem Bundesteam von „Wir sind Kirche“ formuliert das so: „Tu, was du für richtig hältst.“ Lux ist überzeugt, dass gerade die Bischöfe oft nicht so handeln, wie es sich die Mehrzahl der Gläubigen wünscht. Er setzt darauf, dass die Kirchengemeinden selbst entscheiden, was für sie richtig ist – und selbst handeln, statt pastorales Wirken und Verwaltung ganz aus den Händen zu geben.

Wie das gelingen kann, darüber will in Ulm der Salzburger Theologieprofessor Christian Bauer sprechen. Welche Grundlagen es bereits gibt, soll ein Austausch aufzeigen, den die Veranstalter als „Baustellenbegehung“ bezeichnen – ganz im Sinn der Arbeiten an der Gestaltung der Pfarrei. Ursprünglich sollten vier Beispiele für das Wirken der Gläubigen in ihrer Kirche am Ort vorgestellt werden, darunter zwei aus Ulm. Doch das Programm ist ein wenig geschrumpft. Denn der Vertreter, der die Wiblinger Nachbarschaftshilfe Ruf und Tat präsentieren wollte, ist krank geworden. Bleibt noch die Initiative Pro Concilio von Gläubigen, die der Diözese Rottenburg-Stuttgart angehören. Sie setzt sich für die Inhalte des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Bei den Beratungen, die von 1962 bis 1965 dauerten, ging es unter anderem ums Verhältnis der katholischen Kirche zu anderen Religionen und um die Ökumene. Ein Thema, das aus Sicht von „Wir sind Kirche“
im Lutherjahr 2017 besondere Bedeutung hat.

Der Ulmer Willi Knecht gehört Pro Concilio an – und hat einen Einblick in den Reformprozess, der seit vergangenem Jahr in der Diözese Rottenburg-Stuttgart läuft. Er kennt die Probleme des Priestermangels, die sich auch im Dekanat Ehingen-Ulm zeigen: „Der Priester hat gar nicht mehr die Möglichkeit, alles aufzunehmen, was in seiner Gemeinde passiert“ – eine Folge dessen, dass die Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche für die Geistlichen immer weiter wachsen. Wie radikal deren Aufgaben auch an Laien verteilt werden könnten, darin sind sich die Mitglieder von „Wir sind Kirche“ nicht einig.

Doch der Reformprozess in der Diözese belegt aus Knechts Sicht, dass eine Veränderung notwendig ist. Denn er habe ergeben, dass auch die ehrenamtlichen Kirchengemeinderäte überlastet seien. Knecht hofft, dass die Entwicklung positive Auswirkungen hat – und das Aktive die schwindende Lust am Engagement zurückgewinnen. Manche Ansätze gehen aus seiner Sicht nicht weit genug. Die Kirche will den Kontakt zu Initiativen in den Gemeinden suchen – aber nur zu innerkirchlichen. Knecht setzt auch auf die Nähe zu Schulen und auf Kontakte zu Pflegeheimen. Seine Reformgruppe,
die aus Priestern bestehende Aktionsgemeinschaft Rottenburg und weitere Gruppen setzen sich für Veränderungen ein.

Eine Möglichkeit, die die Not der Gemeinden lindern und den Gläubigen mehr Einfluss geben, wäre der Abschied vom Pflichtzölibat. Eine Forderung, die „Wir sind Kirche“ schon seit ihrer Gründung vor 22 Jahren vertritt.

Termin: Die Veranstaltungen der 40. Bundesversammlung von „Wir sind Kirche“ im Haus der Begegnung, Grüner Hof 9, sind öffentlich. Programm unter www.wir-sind-kirche.de

 

 

Zuletzt geändert am 07­.11.2017