April 2018 Kirche In
Fünf Jahre Papst Franziskus: Weiter auf Reformkurs bleiben!
35 Jahre lang wurden die Reformen des Konzils nur zögerlich umgesetzt, relativiert und in vielem sogar massiv behindert. Jetzt, in nur fünf Jahren, hat Papst Franziskus mehr erreicht, als viele es für möglich hielten. Doch sein Reformkurs auf der Linie des Konzils muss von der Kirchenleitung und auch vom Kirchenvolk noch viel stärker unterstützt werden, meint Christian Weisner.
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Mit Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien wurde erstmals ein Kardinal zum Papst gewählt, der zwar nicht das Konzil in Rom miterlebt hat, aber von jenem Kontinent kommt, auf dem die Visionen dieses Reformkonzils am konsequentesten aufgenommen und umgesetzt wurden. Franziskus hat die in Lateinamerika in oftmals leidvoller Praxis gereifte Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Vatikan zurückgebracht. In vielem knüpft er dabei an die innerkirchlichen Reformprojekte und gesellschaftspolitischen Positionen von Paul VI. an und auch an den Katakombenpakt, den viele Bischöfe am Ende des Konzils unterzeichnet haben. Dass Kirchenreform und Gesellschaftsreform zusammengehören, hatte Bergoglio schon in seiner kurzen Rede im Vorkonklave deutlich formuliert.
Vom ersten Moment auf der päpstlichen Loggia an führte Papst Franziskus einen völlig neuen Stil in Rom ein, einen pastoralen Leitungsstil, wie ihn viele Gläubige schon lange ersehnt hatten. Das programmatische Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ zeigt sehr deutlich den Willen zu konkreten Reformen, auch in der Kirchenstruktur. Mit den Augen der Armen die Welt sehen, die Bibel lesen und entsprechend handeln – ein fundamentaler Perspektivwechsel!
Die Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato Si‘“ ist auch außerhalb der Kirche sehr positiv aufgenommen worden. Mit der Einberufung der beiden Familiensynoden 2014 und 2015 und mit dem nachsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ hat Franziskus die dringend notwendige Fortentwicklung der katholischen Sexualethik und Pastoraltheologie eingeleitet. Dabei hat er bewusst noch keine offensichtlichen Korrekturen der Dogmatik vorgenommen, sondern der Kirche die Freiheiten des Dialogs und der Lehre zurückgegeben, die seine beiden Vorgänger über die Maßen beschnitten hatten. Die kontroversen Reaktionen zeigen, dass der lange blockierte Diskurs in Gang gekommen ist.
Jetzt stehen vor allem die Bischöfe weltweit in der Verantwortung, „in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen“ zu suchen. Dem sind bis jetzt allerdings noch viel zu wenige gefolgt. Ein gemeinsames Wort der deutschen Bischöfe folgte z.B. erst neun Monate nach der Veröffentlichung von „Amoris laetitia“. Solch langes Zögern ist mitverantwortlich dafür, dass die konservativen Gegenkräfte so viel Aufmerksamkeit erhalten und wirkliche Reformen so langsam vorankommen.
Von Anfang an hat Papst Franziskus die Bedeutung des Kirchenvolkes betont, ein Kirchenbild, das der Communio-Theologie des Konzils entspricht. Eine Aufhebung der Zölibatspflicht für katholische Priester scheint für ihn nicht ausgeschlossen. Jetzt ist es an den Bischöfen, nicht weiter über die pastorale Situation zu lamentieren, sondern „mutige und kühne Vorschläge“ nach Rom zu schicken, so wie es Papst Franziskus gegenüber Bischof Erwin Kräutler geäußert hat.
In der Frauenfrage hat Franziskus mehrfach betont, dass die Kirche um ihrer selbst willen in allen Bereichen, gerade auch in Leitungspositionen, einer größeren Präsenz der Frauen bedarf. Doch mit „Ordinatio Sacerdotalis“, das 1994 die Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt als unabänderliche kirchliche Lehre festzulegen versuchte, haben Papst Johannes Paul II. und sein damaliger Glaubenspräfekt Joseph Ratzinger allen Nachfolgern eine schwer zu überwindende Hypothek hinterlassen.
Den von Papst Benedikt begonnenen Kampf gegen pädophile Übergriffe und Verbrechen durch Kleriker hat Franziskus verstärkt fortgesetzt. Er hat sich zu einer Null-Toleranz-Politik gegenüber allen in diesem Bereich straffällig gewordenen Tätern ausgesprochen und will auch Bischöfe zur Rechenschaft ziehen, die die Aufklärung dieser Taten behindert haben. Im Fall des chilenischen Bischofs Juan Barros, dem Vertuschung vorgeworfen wird, lässt der Vatikan gerade klären, warum nach dem Brief eines chilenischen Missbrauchsopfers an Papst Franziskus im März 2015 nicht so gehandelt wurde, wie es notwendig gewesen wäre.
Schon sehr kurz nach seiner Wahl kündigte Franziskus eine Kurienreform an und berief den sogenannten K9-Rat ein. Nach dessen Empfehlungen soll das Personal insgesamt internationaler, weniger klerikal und weiblicher werden. Dies wäre eine erfreuliche Veränderung in der Rolle der Kirchenzentrale, die die Ortskirchen auch eher unterstützen statt kontrollieren soll. Für Außenstehende ist allerdings bis jetzt nur schwer zu durchschauen, wie weit diese Reform schon gelungen ist. Die Liste der neu ernannten Kardinäle aus aller Welt zeigt jedoch, dass die kulturelle Vielfalt vorangetrieben wird.
Die breite Unterstützung des Kirchenvolkes hatte Papst Franziskus von Anfang. Doch Veränderungsprozesse sind mühsam, beanspruchen Zeit, erzeugen Widerstand. Allein kann auch ein Papst wie Franziskus die geistliche und strukturelle Erneuerung nicht schaffen. Er braucht auf seinem Reformkurs unbedingt die Unterstützung nicht nur von Reformgruppen, sondern auch von Bischöfen und Priestern. Deshalb bleiben der „Aufruf zum Ungehorsam“, die weltweiten Pfarrer-Initiativen und Reformgruppen sowie Initiativen wie „Pro Pope Francis“ so wichtig, die deutlich zeigen, dass auch immer mehr Kleriker Reformen fordern.
Vor Franziskus und uns liegt noch ein langer Weg, um die römisch-katholische Kirche wieder auf Reformkurs zu bringen. Die kommenden Jahre werden uns alle vor größte Herausforderungen stellen. Nach Jahrzehnten der verweigerten Rezeption des Konzils müssen innerkirchlicher Dialog und theologischer Diskurs erst mühsam wieder gelernt werden. Es bleibt zu hoffen, dass es nach zwei restaurativen Pontifikaten jetzt gelingt, die römisch-katholische Kirche auf den Reformkurs des Konzils zurückzuführen und die notwendigen und unumkehrbaren Prozesse einzuleiten, damit sie ihrer Verantwortung in der globalen Gemeinschaft der Menschheit gerecht werden kann. Mit Papst Franziskus besteht dazu womöglich die letzte Chance für lange Zeit. Sollte sie erfolgreich genutzt werden, so könnte das jetzige Pontifikat rückblickend vielleicht einmal als „Franziskanische Wende“ bezeichnet werden.
Hinweis: Im Mai erscheint ein umfangreicherer Beitrag über das Pontifikat Franziskus’: „Wendezeit für die römische Kirche“ in „ET-Studies“ der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie.
Zuletzt geändert am 14.04.2018