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Veröffentlicht am 14­.11.2018

14.11.1018 - Münchner Merkur

Gedenktag für Missbrauchs-Opfer

München – Die katholische Kirche will ein Zeichen setzen, wie ernst sie das Schicksal von Missbrauchsopfern nimmt. Am kommenden Sonntag ist der erste Gedenktag für Missbrauchsopfer – Kardinal Reinhard Marx feiert um 10 Uhr einen Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom. Angeregt hatte den Gedenktag der Papst, der um die Einrichtung eines „Tages des Gebets und der Buße für die Opfer sexuellen Missbrauchs“ gebeten hatte.

Auf Nachfrage unserer Zeitung, ob Missbrauchsopfer dezidiert zu dem Gottesdienst eingeladen wurden, erklärte eine Sprecherin der Erzdiözese München und Freising: „Missbrauchsopfer wurden nicht gezielt eingeladen, weil es zu gefährlich ist. Es gibt die Sorge, dass sie schon durch die Anfrage erneut traumatisiert werden könnten.“ Aber natürlich gelte die Einladung jedem: „Betroffene müssen entscheiden, ob ihnen das gut tun würde.“ Bezüglich der Gestaltung des Gedenkgottesdienstes stehe man aber im Kontakt mit Opfervertretern.

Für Christian Weisner von der Bewegung „Wir sind Kirche“ ist der Gedenktag „gut gemeint“, aber noch geschehe in der katholischen Kirche zu wenig, um den Missbrauchsskandal angemessen aufzuarbeiten. Nach wie vor werde von den Bischöfen der Dialog mit den Opfern nicht im ausreichenden Maße gesucht. Bei allem Bemühen: „Die Kirchenleitung muss immer noch ein paar Altarstufen weiter heruntergehen.“ Jeder Schritt müsse mit den Betroffenen gegangen werden. Daran müssten die Bischöfe gemessen werden.

Mindestens 3677 Kinder und Jugendliche wurden in den Jahren 1946 bis 2014 Opfer sexueller Gewalt in den katholischen deutschen Bistümern.
So viele Fälle waren in der wissenschaftlichen „Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (MHG-Studie) erfasst, die Ende September in Fulda vorgestellt worden war (wir berichteten). 1670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute hatten die Wissenschaftler in den noch erhaltenen Akten der Diözesen ausmachen können.

Viele Akten, so machten die Forscher bei der Präsentation der Studie damals klar, sind aber auch verschwunden. Eine definitive Aussage über die Zahl der Opfer ist daher bisher ebenso wenig möglich wie die klare Benennung von Verantwortlichen, die Täter geschützt und Missbrauchsfälle
vertuscht haben. Denn nach wie vor halten Diözesen die Personalakten aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte unter Verschluss. Auch die Forscher hatten keinen unmittelbaren Zugang.

Kardinal Reinhard Marx hat inzwischen die Kooperation mit den Staatsanwaltschaften zugesichert. Auf der Herbstvollversammlung der Freisinger Bischofskonferenz erklärte er: „Es ist in den Jahrzehnten davor nicht immer alles so gelaufen, wie man es heute eigentlich machen müsste.“ Dazu müsse man stehen. CLAUDIA MÖLLERS

Zuletzt geändert am 14­.11.2018