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Veröffentlicht am 05­.04.2019

5.4.2019 - katholisch.de

Standpunkt: Der Papst will Entscheidungen in den Ortskirchen!

Den hausgemachten "Flächenbrand" in der Kirche durch synodale Reformprozesse bekämpfen: Das fordert ein Offener Brief aus der Schweizer Kirche an Papst Franziskus. Dem dürfte das Schreiben gefallen, kommentiert Tobias Glenz.

Ein Offener Brief an Papst Franziskus hat am Donnerstag für Aufsehen gesorgt: Ein Generalvikar fordert darin "synodale Prozesse", um Reformen wie die Abschaffung des Pflichtzölibats oder die Einführung des Frauenpriestertum anzugehen. Ein Schreiben mit Sprengkraft, stammt es doch nicht von einer kleinen kirchlichen Reformgruppe, sondern wurde von einem Bischofsvertreter (mit-)unterzeichnet.

Der Brief macht einmal mehr deutlich: Die Ortskirchen – und dort nicht nur Laien, sondern auch Kleriker – werden mutiger, was die Forderung nach kirchlichen Reformen betrifft. Auch die deutschen Bischöfe haben einen "verbindlichen synodalen Weg" zur Aufarbeitung und Aufklärung der Missbrauchskrise angekündigt. "Heiße Eisen" wie Machtabbau bei Klerikern, Zölibat oder die Sexualmoral der Kirche sollen Thema sein.

Schon vor dieser Entscheidung und auch danach äußerten sich einzelne Bischöfe so, wie es noch vor 20 Jahren kaum denkbar gewesen wäre: Über den Pflichtzölibat oder die Sexuallehre zu diskutieren – diese Forderungen hätte man einst nur der Gruppe "Wir sind Kirche" und später höchstens noch dem ZdK zugetraut, aber keinem deutschen Oberhirten.

Kritiker synodaler Prozesse fürchten nun Alleingänge der einzelnen Länder und einen Machtverlust Roms. Dabei handeln diejenigen, die solche Prozesse anstoßen oder anstreben, ganz im Sinne von Papst Franziskus: Der hat sich seit dem Apostolischen Schreiben "Evangelii Gaudium" kurz nach seinem Amtsantritt immer wieder für eine Stärkung der Bischofskonferenzen im Verhältnis zu Rom ausgesprochen. Dass er zuletzt beim Anti-Missbrauchsgipfel keine konkreten Weisungen gegeben hat, stieß auf Enttäuschung, lässt sich aber genau in diesem Licht sehen: Die konkrete Lösung will er vor Ort.

In Zeiten von Globalisierung und Säkularisierung ist auch nur dieser Weg möglich. Die Weltkirche marschiert nicht im Gleichschritt. Problemfelder, die in der einen Ortskirche auftauchen, spielen woanders möglichweise (noch) keine Rolle. So wird schon in Kürze – auch wenn es nicht auf der offiziellen Agenda steht – der Pflichtzölibat bei der Amazonassynode zur Diskussion gestellt werden.

Sicher ist: Hinter die Aufbrüche in Deutschland und anderen Ortskirchen der Welt wird es kein Zurück geben.

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Zuletzt geändert am 05­.04.2019