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Veröffentlicht am 17­.11.2019

Dezember 2019 – „Kirche In“ (erweiterter Vorabdruck)

Weltweiter Wellenschlag (Amazonien auch bei uns?!)

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Die am 27. Oktober 2019 in Rom beendete Pan-Amazonien-Synode war ein historisches Ereignis, das weltweit Bewegung in die katholische Kirche bringen könnte. Jetzt richten sich die Hoffnungen auf das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus. Nach der Zwischenbilanz (KIRCHE IN 11/2019) skizziert Christian Weisner die Aufgaben und Chancen, die sich für die Weltkirche und auch für uns ergeben.

Mit einem Aufruf zu einer ganzheitlichen Umkehr in der katholischen Kirche ist die Pan-Amazonien-Synode im Vatikan eindrucksvoll zu Ende gegangen. Das etwa 30 Seiten lange Schlussdokument, das der Vatikan sofort veröffentlichte, spricht von vier Arten der Bekehrung: pastoral, ökologisch, kulturell und synodal. Die positive Nachricht: Alle 120 Paragrafen des Abschlussdokuments, um das bis zuletzt intensiv gerungen wurde, haben die jeweils erforderliche Zweidrittel-Mehrheit erhalten. Erreicht wurde dies aber nur dadurch, dass die Aussagen in konkreten pastoralen Fragen, vor allem in der Frauenfrage, noch vage blieben.

Auch bei dieser Synode, und das ist enttäuschend, durften wieder nur die Bischöfe als Synodenväter sowie andere Kleriker und einige Ordensmänner abstimmen, obwohl es innerhalb und außerhalb der Synodenaula Initiativen dafür gab, endlich auch z.B. Ordensfrauen ein Stimmrecht zu gewähren. Da war es dann auch kein Wunder, dass die Artikel zu den verheirateten Priestern (41 Nein, 128 Ja) und zum Frauendiakonat (30 Nein, 137 Ja) die meisten Gegenstimmen erhielten.

Abkehr von eurozentristischer Kirche

Der ökologische und antikapitalistische Grundton aus Papst Franziskus' Enzyklika „Laudato Si‘“ findet sich auch im Schlussdokument der Pan-Amazonien-Synode wieder, die somit ihrem Titel „Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ mehr als gerecht geworden ist. Den Problemen dieser Region, die von großer Bedeutung für das Weltklima ist und deren Einwohner äußerst bedroht sind, hat die Synode weltweite Aufmerksamkeit verschafft. Erstmals wurden die indigenen Völker nicht als pastorale Objekte einer kolonialisierenden Mission gesehen, sondern als Subjekte gehört und anerkannt, die eine ökologische Tradition und Spiritualität leben, die die katholische Weltkirche bereichern werden.

Damit markiert diese Synode die Abkehr von einer eurozentristischen römischen Kirche hin zu einer Kirche, die sich „von den Rändern“ her definiert. Ein neuer „amazonischer Ritus“ wurde vorgeschlagen. Die Synode hat eine von der Befreiungstheologie beeinflusste pastorale Grundstimmung in den Vatikan gebracht und sehr deutlich gemacht, dass es grundlegend veränderte Strukturen in der Kirche und in der Seelsorge braucht, die an die jeweilige Kultur angepasst sind. Wie die bisherigen Synoden im Pontifikat von Papst Franziskus hat auch diese Synode allein durch ihre Redefreiheit Erneuerungsprozesse in Gang gesetzt, die nicht mehr gestoppt werden können, selbst wenn dies einige Reformverweigerer immer wieder versuchen werden.

Auch Frauenfrage ist Überlebensfrage für die Menschheit

Eine Umsetzung des Vorschlags an den Papst, in der Amazonasregion auch verheiratete Diakone (das Dokument vermeidet den Begriff “viri probati“) zu Priestern zu weihen, würde es den weit zerstreuten kleinen Gemeinden ermöglichen, häufiger Eucharistie zu feiern. Damit könnte die katholische Kirche ihre Präsenz gegenüber den evangelikalen Pfingstkirchen stärken, zu denen nach Schätzungen bis zu 80 Prozent abgewandert sind.

Ein Fortschritt ist, dass auf dieser Synode offen über den Diakonat der Frau debattiert wurde, auch wenn er von der Synode nicht explizit unterstützt wurde. Aber der Papst wurde gebeten, die Erfahrungen aus Amazonien noch einmal an eine erneuerte Studienkommission zum Frauendiakonat weiterzugeben. Die bisherige vom Papst dazu eingesetzte Studienkommission war zu keinem klaren Urteil gekommen, wie das Diakonat in der Urkirche aussah und was das für die Zukunft heiße. Die Synode hat den Papst auch gebeten, ein neues Amt der Gemeindeleiterin ausdrücklich für Frauen einzuführen. Doch das Fazit ist: Durch die Beschränkung der Weihe auf Männer und nicht auf „personae probatae“ (lebenserfahrene bzw. verheiratete Personen) wird die Unterordnung der Frauen weiter bestehen bleiben, die besonders in Lateinamerika Ursache vieler Gewaltverbrechen ist. So ist es richtig, dass Teilnehmende der Amazonas-Synode – wie schon die Päpstliche Kommission für Lateinamerika im März 2018 – eine eigene Frauensynode gefordert haben.

Streit auf und nach der Synode

Schon vor Beginn und während der Synode gab es schwere Kontroversen um deren Inhalte bis hin zum Häresie-Vorwurf. Scharfe Kritik an den Beschlüssen übte etwa der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Brandmüller, der die Beibehaltung der Zölibatspflicht auch für das Amazonasgebiet fordert. Kardinal Raymond Leo Burke und andere riefen sogar zu einem „Kreuzzug des Gebets und des Fastens“ gegen „Irrtum und Häresie“ der Synode auf. Kardinal Kurt Koch, der Vorsitzende des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, kritisierte, dass die Amazonas-Synode viel über Inkulturation, aber nur wenig über Purifikation gesprochen habe. Im Internet wird Papst Franziskus zu öffentlicher Buße wegen angeblichen Götzendienstes aufgefordert.

Der in Brasilien lebende deutsche Theologe Paulo Suess, der als Experte teilnahm, sieht diese Synode als Lernprozess. Widerstand gegen Reformen gäbe es auch seitens lateinamerikanischer Bischöfe, denn viele seien noch unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ernannt worden.

Auf dem Gebiet der Ökologie gab es zwar Konsens bei der Forderung nach einer aktiveren Rolle der Kirche, doch war umstritten, wie politisch sie sein solle – etwa bei Aktionen gegen demokratisch gewählte Regierungen. Die Ausbeutung der Amazonasregion, wie sie unter dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro praktiziert wird, bezeichnete die Synode aber als „ökologische Sünde“ und eine „Tat gegen Gott“. Um die Völker Amazoniens vor nationalen und multinationalen Konzernen zu schützen und ihnen etwa freien Zugang zu Trinkwasser zu garantieren, soll ein internationaler Fond eingerichtet werden.

Vorbild auch für Europa?

Den auch von Kardinal Christoph Schönborn erhobenen Vorwurf, die Synode sei von Bischöfen instrumentalisiert worden, um kirchenpolitische Fragen für Deutschland oder Europa zu verhandeln, haben der emeritierte Bischof Erwin Kräutler und Bischof Bernardo Johannes Bahlmann aus Brasilien vehement zurückgewiesen. Paulo Suess erklärte, an Amazonien werde durchexerziert, was relevant sein kann für die Weltkirche. Durch die Beschlüsse der Amazonas-Synode könne „durchaus auch etwas Licht auf den Synodalen Weg in Deutschland fallen“.

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, kann sich eine Bischofssynode für Europa nach Vorbild der Amazonas-Synode vorstellen, auch wenn deren Empfehlungen nicht eins zu eins auf Europa übertragbar seien. Die Schweizer Bischöfe planen einen Prozess „Gemeinsam auf dem Weg zur Erneuerung der Kirche“, vermeiden aber den Begriff „synodal“. Die österreichischen Bischöfe haben den Vorschlag der Amazonas-Synode für eine mögliche Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe bereits unterstützt. Allerdings wollen sie, wie auch der deutsche Kardinal Reinhard Marx, am Zölibat als Grundform des priesterlichen Dienstes festhalten.

Die äußeren Rahmenbedingungen sind zwar sehr unterschiedlich, aber wie bei der Pan-Amazonien-Synode wird es auch bei dem am 1. Dezember 2019 beginnenden zweijährigen Synodalen Weg in Deutschland um die zentrale Frage gehen, ob gemäß dem katholischen Subsidiaritätsprinzip Ortskirchen selbst Verantwortung übernehmen können für das, was sie direkt betrifft und was ihrer jeweiligen Kultur entspricht.

Mit der Website www.amazonien-auch-bei-uns.com hat der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner eine Online-Petition für die Priesterweihe bewährter verheirateter Männer sowie den Diakonat für Frauen gestartet. Darin werden die Kirchenleitungen im deutschsprachigen Raum aufgerufen, dem Papst ähnliche mutige Vorschläge wie im Abschlusstext der Amazonas-Synode zu machen.

Misereor und das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat rufen zur Unterzeichnung eines neuen „Katakombenpakts für das Gemeinsame Haus“ auf. 54 Jahre nach dem ersten Katakombenpakt hatten während der Synode engagierte Christinnen und Christen, unter ihnen viele Priester und Ordensleute sowie knapp 50 Bischöfe, am selben Ort in Rom einen neuen Pakt geschlossen. Dieser beinhaltet die Selbstverpflichtung zu einem nachhaltigen und ressourcenschonenden Lebensstil, zum Schutz der Schöpfung und der indigenen Völker sowie zu einem synodalen Miteinander in der Kirche.

„Es sind Dinge aufgetaucht, die geändert werden müssen“, sagte Franziskus zum Abschluss der Synode. Das Abschlussdokument der Synode hat keine kirchenrechtlich bindende Kraft. Nun ist es an Papst Franziskus, ob er deren Vorschläge vielleicht schon vor Weihnachten aufgreift – und vielleicht sogar mutiger ist, als die Synodenväter.

Kernaussagen des Abschlussdokuments:

Ökologie:  „Alle Synodenteilnehmer waren sich der dramatischen Zerstörung bewusst, der Amazonien ausgesetzt ist. Sie bedeutet das Verschwinden des Gebiets und seiner Einwohner, vor allem der indigenen Völker. Der Amazonas-Regenwald, ein ‚biologisches Herz‘ für die Erde, ist immer bedrohter.“

Neuer Lebensstil: „Wir hören den Schrei der Erde, den Schrei der Armen und der Völker am Amazonas. Er ruft uns zu einer umfassenden Umkehr, zu einem einfachen und nüchternen Leben, genährt von einer mystischen Spiritualität im Stil des heiligen Franz von Assisi.“

Kirchliche Ämter: „Für die Kirche in Amazonien ist es dringend, Männern wie Frauen in gleichem Maße Ämter zu übertragen…“

 

 

Zuletzt geändert am 01­.12.2019