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Veröffentlicht am 01­.05.2020

Mai 2020 - Kirche In (Vorabdruck)

Synodaler Weg in Deutschland - Wie weiter nach Querida Amazonia?

> PDF mit Karikatur und Foto (2 Seiten)

So enttäuschend die Antworten von Papst Franziskus im nachsynodalen Schreiben „Querida Amazonia“ bezüglich „viri probati“ und Frauendiakonat auch sind – für den Synodalen Weg in Deutschland können sie ein Ansporn sein. Dies meint CHRISTIAN WEISNER, der die erste Vollversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt für Wir sind Kirche beobachtet hat.

Die von vielen gehegte Hoffnung, angesichts der pastoralen Mangelsituation im großflächigen Amazonasgebiet würde Papst Franziskus den Forderungen der Synode zur Priesterweihe für verheiratete Männer („viri probati“) nachkommen und die Weihe von Frauen in Aussicht stellen, haben sich nicht erfüllt. Nicht nur Bischof Erwin Kräutler war enttäuscht. Über das Frauenbild, das Franziskus‘ Lehrbrief vermittelt, sind viele zu recht entsetzt. Fehlte der Mut oder sind es die sich jeder Reform verweigernden Kardinäle wie Burke, Sarah, Müller und Brandmüller sowie der ehemalige Papst Benedikt, die Franziskus daran hinderten, mutige Schritte für die Zukunft der Kirche zuzulassen?

Doch das am 12. Februar 2020 veröffentlichte nachsynodale Schreiben „Querida Amazonia“ („Geliebtes Amazonien“, kurz QA) ist zunächst einmal für die dort lebenden Menschen und Völker von großer Bedeutung. Papst Franziskus benennt die sozialen, kulturellen sowie ökologischen Probleme und zeigt zugleich Hoffnungsvisionen auf. An die Weltgemeinschaft appelliert er, endlich wirksam Verantwortung zu übernehmen.

Der vierte Teil von QA, die kirchliche Vision, ist dagegen zumindest auf den ersten Blick  enttäuschend. Manche sehen den Synodalen Weg (kurz SW) in Deutschland schon am Ende.

Aber Franziskus wehrt sich gegen vorschnelle quantitative Antworten auf pastorale Mangelsituationen; er wendet sich vehement gegen jeden Klerikalismus und will ein neues Denken über die Macht in der Kirche. Dies ist die große Herausforderung und Chance für den Synodalen Weg, „mutige Vorschläge“ für unseren Kulturraum zu machen. Denn nach den Missbrauchsskandalen muss sich die Kirche der Zölibatsfrage und der Frage nach Weiheämtern für Frauen zu stellen, wenn sie von den Glaubenden angenommen und mitgetragen werden will.

Differenzierte Analyse

1.
Franziskus ist wider Erwarten nicht auf die Frage der viri probati eingegangen. Aber brauchen wir überhaupt viri probati? Brauchen wir nicht vielmehr personae probatae – Männer und Frauen, die die christlichen Gemeinden leiten – was sie in Amazonien schon seit Jahrzehnten tun, wie Franziskus anerkennt, und dadurch die Kirche am Leben halten? Gemeindeleitung geht der Feier der Eucharistie voran und mündet selbstverständlich in die Feier der Eucharistie; auch das geschieht in Amazonien, wenn die Gemeinden zu sonntäglicher Mahlgemeinschaft zusammenkommen.

Franziskus provoziert, wenn er von der „Amtsgewalt“ spricht, die den geweihten Priester sprechen lässt: „Das ist mein Leib“ und: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“ (QA 88). Manche sehen sich in ihrem traditionellen Priesterbild bestätigt, müssen sich aber sagen lassen, dass dieser Dienst keine Überordnung gegenüber den anderen bedeutet. Vielmehr müssen wir „Raum lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät… Dies setzt in der Kirche die Fähigkeit voraus, der Kühnheit des Geistes Raum zu geben sowie vertrauensvoll und konkret die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist“ (QA 99). Und „Laien“, das sind die Mitglieder des Volkes Gottes.

2.
Franziskus geht auch nicht auf die drängende Frauenfrage ein. Auch hier provoziert er und wird von Kardinal Müller dafür sogar gelobt. Gegen die Frauenweihe gibt Franziskus zu bedenken: „Eine solche Sichtweise wäre in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven: Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen“ (QA 100). Es stimmt, wir brauchen tatsächlich keine Frauen als „Klerikerinnen“. Nach dem Neuen Testament sind alle Kleriker*innen, d.h. „von Gott Erwählte“. Unsere Taufe ist unsere Priester*innen-Weihe! Für die Gemeindeleitung braucht es keine gesonderte Weihe.

3.
Warum drückt sich Franziskus so verklausuliert aus? Er muss es einerseits, um den konservativen, ja reaktionären Mitgliedern des Gottesvolkes entgegenzukommen mit Sichtweisen, die ihm von seiner eigenen Vita, von seinem theologischen Denken her geläufig sind. Aber andererseits geht sein Blick darüber hinaus: „Es ist notwendig, die Neuheit des Geistes mutig anzunehmen, der fähig ist, mit dem unerschöpflichen Schatz Jesu Christi immer etwas Neues zu schaffen, denn ‚die Inkulturation verpflichtet die Kirche zu einem schwierigen, aber notwendigen Weg‘“, sonst enden wir als „‚Beobachter einer sterilen Stagnation der Kirche‘“ (QA 69). Bedenken wir: In einem kirchlichen Text geht es nicht darum, was auch drinsteht, sondern darum, was in die Zukunft weist.

Das Fazit der Analyse von Wir sind Kirche: Wir müssen beim Synodalen Weg unsere Glaubenswirklichkeit in Deutschland im Blick behalten. Es geht bei den anstehenden Reformen nicht um pragmatische Kompromisse oder Zugeständnisse, sondern vielmehr um biblische Minimalforderungen, deren Vernachlässigung die christliche Identität unserer Kirche schändet. Alles, was die Kirche in Deutschland eigenständig im Sinn einer synodalen Kirche machen kann, muss gemacht werden; alles, was nur weltkirchlich geregelt werden kann, muss auf den Weg gebracht werden.

Mit neuer Spitze

Das Verdienst von Kardinal Marx liegt darin, den dringend notwendigen Reformprozess zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken initiiert zu haben. Für die kommenden schwierigen Etappen mag der Anfang März 2020 zum neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählte Limburger Bischof Georg Bätzing – sein Wahlspruch „Führe zusammen“ – der geeignetere Mann sein. Seit gut drei Jahren bemüht er sich, die Wunden seines Vorgängers Franz-Peter Tebartz-van Elst im Bistum zu heilen. Bätzing hat sich eindeutig zum Synodalen Weg bekannt und sich auch engagiert zu dessen „Reizthemen“ wie Machtmissbrauch, Frauenweihe, freiwilliges Zölibat und Homosexualität geäußert.

Die Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche sieht Bätzing als dringendste Zukunftsfrage und hält es nicht für ausgeschlossen, am Ende des SW die Forderung nach dem Diakonat der Frau durch ein gemeinsames „kraftvolles Auftreten“ von Bischöfen und Laien im Vatikan vorzubringen  Die Umsetzung wäre dann durch eine päpstliche Sondererlaubnis möglich – ein sogenanntes Indult.

Indult für Frauendiakonat?

„Mit einem Indult könnte Franziskus für eine bestimmte Region, etwa das Gebiet einer Bischofskonferenz in Europa oder Nordamerika, die Weihe von Diakoninnen erlauben“, so der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Sven Anuth. Auch die Osnabrücker Dogmatikerin Margit Eckholt kann sich eine regional begrenzte Lösung beim Thema Frauendiakonat für die deutsche Kirche sehr gut vorstellen: „Franziskus ermutigt uns mit QA, wichtige Fragen in den Ortskirchen zu diskutieren und auch zu entscheiden.“ Der Papst greife die Öffnung des Diakonats zwar nicht auf, doch das entkräfte nicht die Diskussionen, die im Vorfeld in Lateinamerika und bei der Amazonas-Synode in Rom geführt wurden. Auf dieser Grundlage könne auch der SW ein mögliches Votum für den Frauendiakonat im Vatikan vortragen.

Trotz Corona

Angesichts der Corona-Pandemie finden derzeit jedoch andere Themen weit mehr Beachtung als konkrete Fragen zum SW. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass sich dessen Präsidium dafür ausgesprochen hat, den SW nach Plan fortzusetzen, denn gerade jetzt zeige sich, wie wichtig die Präsenz der Kirche vor Ort sei. Die nächste Vollversammlung soll wie geplant Anfang September in Frankfurt stattfinden. Wir Sind Kirche wird auch dann wieder mit Stellungnahmen und Aktionen vor Ort präsent sein, denn schließlich sind die Themen des Synodalen Weges genau die, die das KirchenVolksBegehren in Österreich vor 25 Jahren in der Affäre Groër prägnant als Reformkatalog formulierte.

Ausführliche Informationen: wir-sind-kirche.de/synodalerweg

Zuletzt geändert am 04­.05.2020