Juni 2020 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)
Den wahren Gottesdienst bewahren
Ja, es war ein Schock, dass uns die weltliche Staatsmacht in der Corona-Krise zeitweise sogar das gemeinsame Feiern des Gottesdienstes untersagt hat. Erzbischof Viganò und Kardinal Müller hat es dabei vermutlich am meisten gewurmt, dass Kirche nicht mehr für sich bestimmen kann, ob und wie Gottesdienste und Sakramentenspendung erfolgen können, sondern dass sich Kirche dem Staat unterordnen muss. In dem unsäglichen auch von Weihbischof Laun unterschriebenen Aufruf „Veritas liberabit vos“ heißt es wörtlich: „Lassen Sie uns schließlich als Hirten, die für die Herde Christi verantwortlich sind, daran erinnern, dass die Kirche mit Nachdruck Autonomie in der Leitung, im Gottesdienst und in der Verkündigung beansprucht. ...“
Wenn der Aufruf „Formen der Kontrolle über Menschen“ beklagt, so ist es doch genau das, was Religion zumindest früher für sich in Anspruch genommen hat. Stichwort: Geistliche Gewalt. Dass diese Kontrolle nun nicht mehr gegeben ist, ist eine äußerst schmerzhafte Kränkung, eine Entmächtigung für die Hierarchen. Die Entscheidungsformen des Synodalen Weges in Deutschland hat Kardinal Müller übrigens mit dem Ermächtigungsgesetz in der Weimarer Zeit verglichen.
Die jetzt erfolgten, aber noch mit vielen Auflagen verbundenen Lockerungen für Gottesdienste hält der Magdeburger Bischof Feige für einen Pyrrhussieg. „Wenn wir als Kirche selbst jetzt auch noch eine große Zahl von Gläubigen aus unseren Gottesdiensten ausschließen und mit nur wenigen so sonderbar Liturgie feiern, braucht man sich nicht zu wundern, wenn wir allmählich in Gefahr geraten zu ‚versekten‘“. Ihn erinnert manches an die vorkonziliare Form der Messe, bei der es auch keine wirkliche Beteiligung der Gottesdienstbesucher gegeben hat.
Aber wie schaffen es unsere Großkirchen noch, ihre rettende Botschaft zu vermitteln? Die unterbrochene Gottesdienstroutine wirft bei den Gläubigen zentrale Fragen auf und fordert ein Umdenken, auch in Sachen Eucharistie. Diese Krise wird auch die Kirche verändern. In ihrem Pfingstbrief 2020 ermutigt die deutsche KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche konkret: Wagen wir eine grundlegende Neukonzeption kirchlicher Dienste, die in ganzheitlicher und geschwisterlicher Weise die Aufgaben von Liturgie, Diakonie, Glaubenszeugnis und Gemeinschaft gestaltet und die Glaubenden auf ihre eigene Verantwortung und Mündigkeit verweist! Stärken wir Hauskirchen und kleine Gemeinschaften, die sich gerade in dieser Krise bewährt haben und die sich neu auf den Weg machen, die Botschaft Jesu zu leben und in die Welt zu tragen! Lassen wir nicht zu, dass bislang mühsam erreichte Erfolge in der Gleichberechtigung von Frauen und Männern durch Rückfall in alte Rollenmuster wieder zunichte gemacht werden! Gerade Frauen sind es, die lebensnotwendige Dienste leisten. Wer Frauen weiter diskriminiert, ignoriert die Botschaft Jesu.
So wichtig Liturgie, das gemeinschaftsbildende Feiern ist, genauso wichtig ist der diakonische Dienst. Menschendienst ist Gottesdienst. Diakonie ist daher eine ebenso unverzichtbare Form der freien Religionsausübung wie die Liturgie.
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de
Preserving true worship
Yes, it was a shock that the secular state power in the Corona crisis at times even prohibited us from celebrating the service together. Archbishop Viganò and Cardinal Müller were probably most irked by this saying that the Church can no longer determine for itself whether and how worship and the administration of the sacraments can take place, but that the Church must subordinate itself to the State. In the unspeakable appeal "Veritas liberabit vos", also signed by Auxiliary Bishop Laun, it says literally: "Let us finally remember, as pastors responsible for the flock of Christ, that the Church claims autonomy in leadership, worship and proclamation ...".
If the call laments "forms of control over people", it is precisely what religion, at least in the past, has claimed for itself. Keyword: spiritual violence. That this control is now no longer given is an extremely painful insult, a disempowerment for the Hierarchs. Incidentally, Cardinal Müller compared the decision-making forms of the Synodal Way in Germany with the Enabling Act in the Weimar period.
Bishop Feige of Magdeburg considers the loosening up of the law for worship services, which has now taken place, but still involves many conditions, to be a Pyrrhic victory. "If we as a church now also exclude a large number of the faithful from our services and celebrate such a strange liturgy with only a few, one need not be surprised if we gradually run the risk of being 'insecure'". Many things remind him of the pre-conciliar form of the Mass, in which there was no real participation of those attending the Mass.
But how do our large churches still manage to convey their message of salvation? The interrupted worship service routine raises central questions among the faithful and calls for a rethinking, also with regard to the Eucharist. This crisis will also change the Church. In its Letter of Pentecost 2020 the German People's Movement We are Church concretely encourages: Let us dare a fundamental new conception of church services, which in a holistic and fraternal way shapes the tasks of liturgy, diakonia, witness of faith and community and points believers to their own responsibility and maturity! Let us strengthen house churches and small communities which have proven themselves especially in this crisis and which are setting out anew to live the message of Jesus and to carry it into the world! Let us not allow successes in the equality of women and men, which have so far been laboriously achieved, to be cancelled out by a relapse into old role patterns! It is precisely women who provide vital services. Those who continue to discriminate against women ignore the message of Jesus.
As important as liturgy is for community-building celebrations, diaconal service is equally important. Human service is service. Diaconia is therefore just as indispensable a form of free exercise of religion as the liturgy.
Christian Weisner
We are Church Germany
www.wir-sind-kirche.de
Translation by Colm Holmes of an article published in the Austrian "Kirche In" ("Uncensored" column) in June 2020
Zuletzt geändert am 24.06.2020