August 2021 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“) Vorabdruck
Polyphonie in Rom. Roms Schwierigkeiten mit dem Synodalen Weg
Papst Franziskus hat die katholische Kirche in Deutschland ermutigt, den „eingeschlagenen Synodalen Weg weiterzugehen“, so Bischof Georg Bätzing, seit gut einem Jahr Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, nach einem Überraschungsbesuch im Vatikan am 24. Juni 2021. Doch keine Woche später, am Hochfest Peter und Paul, brandmarkte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der zweite Mann im Vatikan, bei seinem Besuch in Berlin den deutschen Synodalen Weg als Alleingang. Er tat dies mit Papst-Zitaten, ohne auf den Missbrauchsskandal, der die Kirche weltweit erschüttert, auch nur andeutungsweise einzugehen. Haben manche Kuriale immer noch nicht die Dramatik der sexualisierten Gewalt und ihrer Vertuschung erkannt? Und sehen sie beim „Synodalen Weg“ immer nur die Gefahr eines deutschen Sonderweges und nicht die Chance eines Dienstes an der Weltkirche?
Anlass für den vielschichtigen Besuch war die wegen Corona nachgeholte Feier von 100 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl. Erinnert wurde auch an die Berlin-Besuche von Johannes Paul II. vor 25 Jahren und Benedikt XVI. vor zehn Jahren. Aktuell spielten neben der Mahnungen zum Synodalen Weg ganz sicher aber auch die Personalia von Woelki (Visitation gerade abgeschlossen) und Marx (Rücktrittsangebot abgelehnt) eine wesentliche Rolle. Dass die Situation bei Woelki ganz anders ist als bei Marx, hat übrigens auch Kardinal Walter Kasper mittlerweile begriffen.
In Gesprächen Parolins auf der politischen Ebene wurde der wachsende Vertrauensverlust in die katholische Kirche aufgrund des Umgangs mit Missbrauchsfällen zum Ausdruck gebracht. Wie sehr der Vatikan trotz aller theologischen Skepsis auf Finanzhilfen aus Deutschland angewiesen ist, zeigte die Begegnung mit den Leitern der kirchlichen Hilfswerke. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht nicht unbedeutend, dass auch kirchliche Medien berichten, dass Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin selbst versuchte, im Frühsommer 2019 weiteres Geld von der Vatikanbank „Institut für die religiösen Werke“ (IOR) für den höchst problematischen Londoner Immobilien-Deal zu erhalten, der den Vatikan schließlich mehr als 400 Millionen Euro Verlust bescherte. Denn vor allem die USA, Italien und Deutschland tragen mit dem „Peterspfennig“ und durch Überweisungen der Bistümer zur Finanzierung des Vatikans bei.
Just an dem Tag kurz vor Pfingsten, an dem Kardinal Marx sein Rücktrittsgesuch Papst Franziskus überreichte, kündigte Kardinal Mario Grech, der neue Generalsekretär der Bischofssynode in Rom, einen weltweiten Synodalen Weg an. Damit soll im Dreischritt diözesan, kontinental und weltkirchlich die auf 2023 verschobene Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema Synodalität mit „Konsultationen und Unterscheidungsprozessen“ vorbereitet werden. Sieht jetzt auch Rom die Chancen eines kirchenrechtlich nicht festgelegten Synodalen Weges? Oder ist es der ungute Versuch, den Synodalen Weg in Deutschland auszubremsen und einzugrenzen? Bischof Bätzing argumentierte sofort geschickt, es seien zwei Prozesse mit demselben Ziel. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer dagegen, wie Woelki ein fundamentaler Gegner des Synodalen Weges in Deutschland, sieht den weltweiten Synodalen Weg als Hilfe Roms bei der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie für das kirchliche Leben, also nur als Mittel der Evangelisierung.
Für die französische Ordensfrau Nathalie Becquart, seit Februar 2021 Untersekretärin der Bischofssynode und qua Amt die erste Frau mit vollem Stimmrecht in der Bischofssynode, heißt Synodalität, „einen gemeinsamen Weg zu gehen und eine pilgernde Kirche sein, in der alle Getauften zusammenarbeiten. In diesem Sinne ist Synodalität eine Grundidee der Kirche: eine Vision der Kirche als dynamische Gemeinschaft. Eine synodale Kirche ist also eine Kirche der Protagonisten, in der jeder eine Stimme hat.“ Ja, so sollte es sein.
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
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Zuletzt geändert am 22.11.2021