Dezember 2021 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“) Vorabdruck
Synodalität auf allen Ebenen!
Synoden? Die gibt es doch nur in den Kirchen der Orthodoxie und Reformation. Nein, am 15. September 1965 führte Papst Paul VI. das seit alter Zeit bekannte Instrument der Bischofssynode auch für die römisch-katholische Kirche wieder ein. Doch gut 50 Jahre Erfahrung mit der 1965 eingesetzten Bischofssynode hätten gezeigt, so Kardinal Mario Grech, seit 2019 Generalsekretär der Bischofssynode im Vatikan, dass dieses Instrument selbst synodaler werden und sich von einem Ereignis zu einem Prozess wandeln müsse.
Papst Franziskus will eine synodale Kirche auf allen Ebenen. Schon mit seiner Ansprache bei der 50-Jahrfeier der Errichtung der Bischofssynode am 17. Oktober 2015 sagte er der katholischen Vergesslichkeit den Kampf an. Die Kirche könne nur synodal existieren. Das 2018 von der Internationalen Theologischen Kommission publizierte Dokument „Die Synodalität im Leben und in der Sendung der Kirche“ bietet vor dem Hintergrund des Zweiten Vatikanischen Konzils Antworten auf die kulturellen und sozialen Veränderungen, die sich im Zuge des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts in der Welt vollziehen.
Mit dem im Oktober 2021 in Rom und in allen Ortskirchen eröffneten Vorbereitungsprozess für die wegen Corona auf Oktober 2023 verschobene Weltbischofssynode hat Papst Franziskus jetzt ein höchst ambitioniertes Beteiligungsprojekt gestartet. So wichtig die von Franziskus vorgegebene Grundlinie der Evangelisierung dabei ist: Zunächst muss die Kirchenleitung aber alles dafür tun, die sexualisierte und geistliche Gewalt und deren Vertuschung zu verhindern, die zum fundamentalen Glaubwürdigkeitsverlust geführt haben. Beides hat viele Menschen, nicht nur die Betroffenen, in ihrem Glauben zutiefst erschüttert. Bevor nicht eine wirkliche Aufarbeitung begonnen hat, werden alle noch so gut gemeinten Bemühungen der Evangelisierung ins Leere laufen. Die Skandale, die den Synodalen Weg in Deutschland notwendig gemacht haben, werden jetzt in allen Teilen der Weltkirche offenbar, zuletzt gerade in Frankreich.
Es ist völlig klar, dass der deutsche Synodale Weg – die sehr konkrete Antwort auf das strukturelle Missbrauchsproblem in Deutschland – nicht alleine die Weltkirche verändern kann. Aber mit der hier vorhandenen theologischen Expertise werden derzeit wichtige Lösungsansätze erarbeitet, die auch für den weltweiten Synodalen Prozess wegweisend sein können. Internationale Beobachter der 2. Synodalversammlung in Frankfurt im Herbst 2021 attestieren dem deutschen Synodalen Weg Modellcharakter für die Gesamtkirche. Wir brauchen dringend eine theologisch fundierte Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre sowie zeitgemäße Dienste und Strukturen, damit unsere Kirche ihren Dienst in der Welt erfüllen kann.
Für manche Diözesen in Deutschland wird es jetzt allerdings kompliziert, wenn Sie schon einen eigenen Erneuerungsprozess durchführen, sich aktiv am deutschen Synodalen Weg beteiligen und nun auch noch in ihrem Bistum einen Beteiligungsprozess für den weltweiten Synodalen Prozess in Gang setzen sollen. Eine Recherche auf den Webseiten der deutschen Diözesen zeigt, dass die Informationsangebote und konkreten Mitwirkungsmöglichkeiten höchst unterschiedlich sind. Hier muss schnell kräftig nachgebessert werden, damit die von Franziskus geforderte Synodalität auf allen Ebenen nicht scheitert.
Die Zukunft unserer Kirche hängt wesentlich davon ab, ob sie zur ursprünglichen „Communio“ (Gemeinschaft) zurückfindet, zur kirchlichen 2G-Regel: Getauft und gefirmt. Die Aufspaltung in „Kleriker“ und „Laien“ widerspricht fundamental der Idee vom „Volk Gottes“: alle gehören dem Volk an und sind somit „Laien“; alle sind von Gott Erwählte und sind somit „Kleriker“. Und Synodalität bedeutet nicht nur Mitdenken, sondern auch Mitentscheiden. „Quod omnes tangit ab omnibus approbari debet.“ (Was alle betrifft, muss von allen entschieden bzw. gebilligt werden.) Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass bei der Weltbischofssynode 2023 nicht nur die Bischöfe eine Stimme haben.
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
Zuletzt geändert am 14.12.2021