Advent Weihnachten 2021 St. Maximilian München
Der synodale Geist am Rande
von Gudrun Lux
In den Tagen vor der zweiten Synodalversammlung hatte ich keine Lust und wohl auch wohl keine Hoffnung. Das war Ende September, Anfang Oktober, die Versammlung tagte in Frankfurt und ich fragte mich: Was soll das überhaupt noch? Soll ich da wirklich hinfahren?
Entsandt zur Synodalversammlung hat mich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), dem ich seit 2016 als hinzugewählte sogenannte „Einzelpersönlichkeit" angehöre. Anfang 2020 tagte die erste Syodalversammlung, danach brach die Corona-Pandemie über uns herein und alles verzögerte sich. Der Prozess, der eigentlich schon am Ende sein sollte, schleppt sich dahin, man versuchte mit Regionalkonferenzen und Digitalen Formaten zu überbrücken, doch der vielbeschworene „Geist von Frankfurt" - gemeint war eben die Aufbruchsstimmung der ersten Versammlung Anfang 2020 - war kaum noch spürbar.
Kurz vor der dann doch endlich anberaumten zweiten Versammlung war aus Rom gekommen, dass im Wesentlichen alle weitermachen wie bisher. Die Weihbischöfe in Köln mit ihren Pflichtverletzunen, die Erzbischöfe, die auch mal Auszeiten nehmen können. Ich war frustriert, das ganze Unterfangen eines „Synodalen Weges" schien mir nun wirklich nur noch wenig Sinn zu haben.
Aber, sagte ich mir, das ZdK hat mich entsandt, ich habe mich verpflichtet. Ich fuhr also trotzdem hin, zur zweiten Synodalversammlung - jedoch mit mehr Verzweiflung als Hoffnung, mehr Wut als Liebe.
Vor unserem Tagungsort in Frankfurt erwartete uns eine bunte Mischung von Menschen, die uns Synodalen etwas mit geben wollten. Menschen, die noch Hoff nung hatten. Auch einige der jungen Synodalen selbst waren dabei. Ich erkannte Geschwister aus der katholischen Jugend, von Frauenverbänden, von Wir sind Kirche. Sie verteilten Stolen mit dem Auf druck „getauft, gefirmt". um darauf hinzu weisen, dass die Taufe uns alle zu Kleriker*innen macht, zu „Erwählten Got tes''. Es gab viele kleine Zeichen der Unterstützung für die reformorientierten Synodalen, zum Beispiel „Mut-Nüsse''. Walnüsse mit einem eingeprägten „Nur Mut!''. Die Gruppe vor der Tür war für mich eine tatsächliche und sehr starke Ermutigung. Mit diesen und für diese Menschen will ich Kirche mitgestalten und das Wort ergreifen.
Am ersten Abend hatte ich jedoch das Gefühl, kaum durchzudringen. Die Wortmeldungen schienen im riesigen Raum (Abstand halten!) zu verhallen. In Chatgruppen war zuvor schon die Notwenig keit diskutiert worden, ein Zeichen der Demut zu setzen. Am Ende eines Wortbeitrags begann eine Synodale, das „Magnificat" zu beten, im ganzen Saal erhoben sich Synodale und knieten nieder. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und er höht die Niedrigen." Wer sich wohl angesprochen gefühlt hat?
Die weitgehend überwältigende Unterstützung für die zukunftszugewandten Papiere, die in erster Lesung vorgestellt und debattiert wurden, hat mich gefreut.
Einige Einwürfe waren und sind jedoch fast unerträglich. So wurde vom „unfehlbaren Lehramt der Betroffenen" gesprochen (Bischof Voderholzer) und davon, dass wir doch keine „Täterorganisation" seien. Hier droht natürlich eine Diskursverschiebung, das ist gefährlich. Es war wichtig, klar zu widersprechen. Das habe ich getan, das hat beispielsweise auch die ehemalige BDKJ-Vorsitzende Katharina Norpoth in aller Klarheit getan. Medial rezipiert wurde freilich vor allem eine Erwiderung eines anderen Bischofs. Die Tendenz, dass die Beiträge von Bischöfen, Männern, älteren Menschen als relevanter gelten, findet hier ihren Niederschlag auch bei denen, die eigentlich meinen, an der Seite der reformorientierten Laien und Laiinnen zu stehen.
Die Gespräche am Rande der Synodalversammlung waren es schließlich, die mich überzeugten, dass es nicht vergebens ist, was wir tun. Denn auch wenn wir heute noch keine Buchstaben von Gesetzen und Vorschriften ändern, so bewegen wir doch einiges in den Köpfen und Herzen. Da ist zum Beispiel der Weihbischof, der zu mir bezogen auf Geschlechtergerechtigkeit sagte: „Habituell ist mir das alles so fremd und ich komm aus einer ganz anderen Denktradition und Sozialisation. Aber wenn ich die Argumente höre, denke ich: Sie haben ja recht!" Da bewegt sich was, vielleicht wirkt der Heilige Geist.
Mitte Oktober war ich zu Gast bei der Bundesversammlung von Wir sind Kirche. Um die hundert vorwiegend seit Langem ergraute Damen und Herren kamen zusammen. Ich habe ihnen voller Überzeugung gesagt: Dass der Synodale Weg stattfindet, dass die Themen, die die Foren behandeln, offen besprochen werden, dass wir um Alternativen zur Kirchenordnung des 19. Jahrhunderts wissen, all das ist auch ihr Verdienst.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht mit dem Synodalen Weg. Gespannt und ja: Ich habe da jetzt wieder eine leise Hoffnung.
Gudrun Lux, geboren1980, ist Stadträtin für Bündnis 90/Die Grünen mit dem Schwerpunkt Verkehrswende und Öffentlicher Raum und lebt im Gärtnerplatzviertel. Sie ist Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken(ZdK) und von diesem zum Synodalen Weg delegiert. Von der Synodalversammlung ist sie ins Forum„Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" gewählt. Die Politikwissenschaftlerinund Theologin hat in Mainz und Madrid studiert, ist Absolventin der Katholischen Journalisten schule ifp, Rettungssanitäterin, Krisenkommunikationsberaterin und Redakteurin. Sie ist Mitglied des Allgemeinen Rats der Katholischen Akademie Bayern und des Beirats des Zentrums für Globale Fragen (ZGF) der Hochschule für Philosophie.
Quelle: Pfarrzeitung "Weihnachten 2021" St.-Maximilian, München, Seite 9-10
> st-maximilian.de (PDF)
Zuletzt geändert am 03.01.2022