Dezember 2022 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)
Vorsprechen in der Weltzentrale. Nagelprobe für Synodalität und Kollegialität
Endlich, nach drei Jahren, erhielten die deutschen Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch Mitte November im Vatikan die Möglichkeit, die einschlägigen römischen Dikasterien und auch den Papst über den aktuellen Stand des Synodalen Weges in Deutschland zu unterrichten. Doch die Gespräche müssen ungewohnt undiplomatisch und sehr kontrovers verlaufen sein. Auf ein eindeutiges Wort der Würdigung des deutschen Synodalen Weges müssen die Bischöfe wie auch die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland nach wie vor warten.
Die von Franziskus immer wieder geforderte Parrhesia, die freie Rede, kann aber als Erfolg gesehen werden. Endlich liegen die auch von manchen deutschen Bischöfen und Kardinälen geschürten Missverständnisse und Bedenken des Vatikans offen auf dem Tisch. Und es ist ein Erfolg, dass die reformbereiten Bischöfe das vom Vatikan und einer kleinen Gruppe deutscher Bischöfe gewünschte Moratorium des Synodalen Weges in Deutschland abwenden konnten.
Diese offene und klärende Kommunikation muss jetzt unbedingt regelmäßig fortgeführt werden. Damit dies aber gelingen kann, braucht es einen Kurswechsel auf der Ebene der päpstlichen Nuntiatur in Berlin sowie die Einbindung des gesamten Präsidiums des Synodalen Weges, also auch der Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. So notwendig die Suche nach neuen Wegen der Evangelisierung ist, zunächst müssen die Ursachen sexualisierter und geistlicher Gewalt, Machtmissbrauch, Klerikalismus und Diskriminierung konsequent angegangen werden.
Irritierend ist, dass einige Themen jetzt nicht verhandelbar sein sollen. In der Einladung zum weltweiten synodalen Prozess waren keine Vorgaben diesbezüglich gemacht worden und in dem zusammenfassenden Dokument "Mach den Raum deines Zeltes weit" des Vatikans für die Weltsynode werden auch die „Reizthemen“ angesprochen, die für das deutsche Projekt tabu sein sollen. Die von wirklicher Gleichberechtigung noch immer weit entfernte Stellung der Frau in der römisch-katholischen Kirche wird weltweit als zentrales Problem mit vielfältigen negativen Folgen für die Kirche nach innen und nach außen erkannt. Auch die Missbrauchs- und Vertuschungsskandale, die den Synodalen Weg notwendig machten und auf die er Antworten sucht, werden weltweit in immer mehr Ortskirchen offenbar, zuletzt in schockierender Weise in Frankreich sogar auf Bischofsebene.
Zwar kann und will der deutsche Synodale Weg der Weltkirche keine bindenden Vorgaben machen. Er darf aber erwarten, dass seine exegetischen, theologischen und menschenrechtlichen Überlegungen und Vorschläge nicht mit autoritären Argumenten abgewiesen werden. Die bisher erarbeiteten Texte führen die Dringlichkeit tiefgreifender Reformen in der kirchlichen Lehre und Struktur vor Augen. Dies sollte der Vatikan nicht abwerten, sondern endlich als wichtigen Dienst für die Weltkirche begreifen. Falls man die Klärung weiterer Fragen für notwendig erachtet, sollten sie offen genannt und in geschwisterlichem Geist besprochen werden.
Die deutschen Bischöfe stehen jetzt in der Verantwortung, den Synodalen Weg in wirklich synodalem Geist mit allen Beteiligten weiterzuführen und alles dafür zu tun, dass seine Ergebnisse unverfälscht in den weltweiten synodalen Prozess einfließen können. Geheiminformationen sind offen zu legen. Die Rede von einer „anderen“ oder einer „evangelischen“ Kirche sowie die diskriminierende Abwertung der vorgelegten Überlegungen sind zu beenden. Die römischen Instanzen sind nicht die Weltkirche, sondern sollten sich auf ihre dienende und koordinierende Aufgabe besinnen, wie sie die neue Kurienreform vorsieht. Eine nächste wichtige Etappe werden die kontinentalen Zusammenkünfte sein, für Europa Anfang Februar in Prag.
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
Zuletzt geändert am 16.12.2022