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Veröffentlicht am 28­.07.2023

Juli 2023 - Zeitung Maria 2.0

Menschenrechte in der Kirche

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Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus“ (Galater 3,28). Es war wohl diese radikale Botschaft, die die christlichen Gemeinden im römischen Weltreich so anziehend machte und die für uns heute wie eine Frühform der Menschenrechte klingt. Doch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948 durch die Vereinten Nationen proklamiert, hat ihre Wurzeln in philosophischen und politischen Konzepten, die sich historisch oft gegen kirchliche Machtansprüche durchsetzen mussten.

Heute gehören die Kirchen zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren, die weltweit in vielen ihrer Arbeitsfelder die Menschenrechte verteidigen und voranbringen. Aber ähnlich wie in ihrer Haltung zur Demokratie haben die Kirchen einen langen und konfliktreichen Lernprozess durchlaufen. Den Bürgerrechtsbewegungen in den USA und in Südafrika in den 1960/70er-Jahren wie auch der Befreiungstheologie Lateinamerikas ist die Erkenntnis zu verdanken, dass der Einsatz und die Verteidigung von Menschenrechten auch eine kirchliche Aufgabe ist.

Bei der Konzilseröffnung am 10. Oktober 1963 sagte Johannes XXIII.: „Mehr denn je sind wir heute darauf ausgerichtet, überall die Rechte der Menschen zu verteidigen – nicht nur diejenigen der Katholiken und der katholischen Kirche.“ Seine Enzyklika „Pacem in terris“ (1963) kann auch als Menschenrechts- und Frauenrechts-Enzyklika gesehen werden.

Aber bis heute werden die Menschenrechte innerhalb der eigenen Institution beharrlich und schwerwiegend besonders in zwei Bereichen verletzt: Bei der Diskriminierung der Frauen, denen wegen ihres Geschlechts die Ordination und damit der Zugang zu den Leitungsämtern verwehrt wird, und beim Pflichtzölibat, weil dieser entweder die freie Wahl des Familienstandes oder die freie Berufswahl ausschließt.

Dass sich Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis vom 22. Mai 1994
„auf die göttliche Verfassung der Kirche“ berief, werden spätere Generationen als einen ebensolchen Skandal betrachten wie die kirchliche Rechtfertigung der Sklaverei bis in die Neuzeit hinein und die Verurteilung der Menschenrechte noch durch die Päpste
des 19. Jahrhunderts und ihre Infragestellung durch Päpste des 20. Jahrhunderts.

Die Menschenrechtserklärung hat der Vatikanstaat bis heute nicht unterzeichnet. Die Debatte über Menschenrechte in der Kirche als Korrektiv des kirchlichen Rechts wird bis heute gescheut. Doch diese Debatte ist notwendig, auch für die Kirchenreform. Denn mit der Gewährung oder Vorenthaltung der Menschenrechte steht und fällt die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Welt.

Die Rückmeldungen zur Weltsynode zeigen, dass es überall einen Aufbruch gibt. Der Grundtext „Frauen in Diensten und Ämtern“ des Synodalen Weges in Deutschland berücksichtigt alle derzeitig vorliegenden biblischen, dogmatischen, historischen und anthropologischen Argumente als Grundlage für eine Diskussion in der Weltkirche, die übrigens auch dort schon lange geführt wird. Jetzt kommt es darauf an,
das Anliegen der Öffnung der Weiheämter für Frauen bei der weltweiten Synode einzubringen und die Debatte auf jeden Fall offenzuhalten.

Die am 7. Juli 2023 veröffentlichte Liste der Teilnehmenden der Weltsynode in Rom zeigt, dass es immer noch eine große bischöfliche Übermacht gibt, ein Großteil aus dem Klerikerstand kommt und nur ein Siebtel stimmberechtigte Frauen sind. Aber es ist keine reine Bischofssynode mehr. Franziskus hat einen Systemwechsel eingeleitet, dem weitere Schritte folgen müssen.

Was oft als „Frauenfrage“ bezeichnet wird, ist eigentlich eine „Männerfrage“, wie weit diese nämlich zu substanziellen Veränderungen bereit sind. Wo Macht ausgeübt wird, muss es Kontrolle geben. Wo entschieden wird, ist die Beteiligung der mündigen Christinnen und Christen erforderlich.

Das jetzt vorgestellte Arbeitspapier „Instrumentum laboris“ ist zwar offen formuliert, doch die Priesterweihe der Frau und die Thematik „Pflichtzölibat“ sind im Fragenkatalog nicht enthalten. Aber es bleibt zu hoffen, dass trotz der immer noch sehr starken Männer- und Klerikerlastigkeit sich während der beiden vierwöchigen Synoden in Rom eine zukunftsgerichtete Dynamik entwickeln wird, die keine brennenden Themen ausspart.

Christian Weisner

Unser Kolumnist ist Mitinitiator des deutschen KirchenVolksBegehrens, Mitglied des Bundesteams und Mitbegründer der Internationalen Bewegung „Wir sind Kirche“.

https://www.wir-sind-kirche.de/files/wsk/2023/Maria2.0_Seite_06_230718.pdf

 

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Zuletzt geändert am 02­.08.2023