Oktober 2023 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)
Der Eiertänzer
Es wird spannend werden mit dem neuen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Er ist der dritte in der Zeit von Papst Franziskus. Während Kardinal Müller als Dampfwalzenfahrer agierte, Kardinal Ladaria ängstlich den Nippes in den Vitrinen des Vatikan hütete, zeigte Víctor Manuel Fernández in den vielen Interviews ein interessantes Spektrum an Flexibilität sowie eine elegante Schlagfertigkeit gegenüber Vorwürfen aus den Reihen der konservativen Papstkritiker.
So wird ihm eine Demontage der gesamten katholischen Morallehre unterstellt, da er beispielsweise die künstliche Verhütung nicht verurteilt, sondern als Möglichkeit des verantwortlichen Umgangs z.B. in einer Familie akzeptiert oder weil er Segnungen homosexueller Paare nicht rigoros ablehnt. Der Kritik stellt er den Primat der Nächstenliebe in der Moraltheologie gegenüber, die sich den Lebenswirklichkeiten der Menschen stellt und sie annimmt.
Er wirbt dafür, anspruchsvolle Theologie verständlich und zugänglich zu vermitteln, die mit dem gesamten Wissen ihrer Zeit in Dialog tritt und kritisiert den Machtanspruch von Theologen, die darauf bestehen die einzig wahre Interpretation der Lehre zu verkünden. Gleichzeitig aber lobt er immer wieder Ratzinger, Ladaria, oder Johannes Paul II. (La Civilta Catolica 14. 9.)
Seine Fähigkeit zur Ambivalenz wird deutlich in den unterschiedlichen Statements zum synodalen Weg in Deutschland. Je nach Medium changieren seine Antworten zwischen Offenheit und Ablehnung. So erklärte kath.de am 12.7.2023: „Ich interessiere mich sehr dafür, diese Forderungen besser kennenzulernen. Denn es wäre aus meiner Sicht unklug und schädlich, im Moment Bewertungen abzugeben. Schließlich habe ich 12.000 Kilometer entfernt gelebt und noch nicht mit den Verantwortlichen gesprochen.“ während er der spanischen Plattform InfoVaticana schon am 5. Juli Vorbehalte signalisiert hatte: „Die Deutschen ziehen immer die Aufmerksamkeit auf sich. ...Vorerst muss ich ihnen sagen, dass ich nicht glaube, dass dieser deutsche ‚Schritt’ etwas Gutes hat.“ Am 11. 9. gegenüber NCR USA spricht er davon dass die deutsche Kirche große Probleme hat und offensichtlich über eine Neuevangelisierung nachdenken muss und bedauert, dass es heute keine Theologen mehr auf dem Niveau derjenigen gäbe, die in der Vergangenheit so beeindruckend waren. Von dem angekündigten Gespräch ist noch nichts bekannt.
Auf jeden Fall beherrscht der neue Kardinal und Präfekt die Kunst des römischen Eiertanzes. Spannend wird es, mit wem er wie tanzen wird und welche neue Figuren er zum Einsatz bringen wird.
Sigrid Grabmeier
Wir sind Kirche-Deutschland
Zuletzt geändert am 20.09.2023