| |
Veröffentlicht am 14­.11.2023

14.11.2023 - KNA

Studie: Deutsche wenig religiös - Vertrauen in Kirchen schwindet


Seit Jahren ist von einer Vertrauenskrise die Rede, wenn es um die Kirchen in Deutschland geht. Neue Zahlen belegen nun, wie dramatisch die Lage wirklich ist und, wo es auch Lichtblicke gibt. Von Gottfried Bohl (KNA)

Ulm/Bonn (KNA) Die Deutschen sind immer weniger religiös und setzen wenig Vertrauen in die Kirchen. Viele Kirchenmitglieder denken über einen Austritt nach, so dass sich der Mitgliederschwund noch beschleunigen könnte. Auf der anderen Seite engagieren sich kirchennahe Gläubige besonders stark für die Gesellschaft.

Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus einer am Dienstag vorgestellten repräsentativen und umfangreichen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU). Neben der evangelischen Kirche, die seit 1972 alle zehn Jahre eine solche Studie vorlegt, hat sich erstmals auch die katholische Kirche beteiligt. Für fast 8 von 10 der insgesamt 5.282 Befragten hat Religion demnach überhaupt keine oder nur wenig Bedeutung. Selbst unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch 4 (katholisch) bzw. 6 Prozent (evangelisch) als gläubig und kirchennah. Immerhin 36 (33) Prozent sagen: "Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe."

9 Prozent aller Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es 24 Prozent. Das Vertrauen zur katholischen Kirche ist dabei nur unwesentlich größer als das zum Islam. 43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen Mitglieder werden in der Untersuchung als "austrittsgeneigt"  eingestuft. Der Mitgliederschwund könnte sich also noch weiter beschleunigen; laut KMU dürfte die bis 2060 vorhergesagte Halbierung der Mitgliederzahl bereits in den 2040er Jahren erreicht werden. 2022 waren erstmals nur noch weniger als die Hälfte der Bundesbürger Mitglieder einer der beiden großen Kirchen.

Die Studie zeigt aber auch, dass die Menschen nicht gleichgültig gegenüber den Kirchen eingestellt sind, sondern sich Reformen wünschen. Unter anderem sagten 96 Prozent der katholischen und 80 Prozent der evangelischen Mitglieder, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Auf katholischer Seite wurden dabei etwa die Segnung homosexueller Partnerschaften, die demokratische Wahl kirchlicher Führungspersonen und mehr Rechte für Frauen gefordert.

Nicht nur die Mitglieder erwarten zudem soziales Engagement von den Kirchen: Unter anderem wünscht eine ganz große Mehrheit aller Befragten, dass die Kirchen soziale Beratungsstellen unterhalten, sich für Geflüchtete einsetzen und für mehr Klimaschutz. Was noch auffällt: Das gesellschaftliche Engagement ist unter religiösen und kirchennahen Menschen deutlich höher als im Rest der Gesellschaft. So berichteten 49 Prozent der Katholiken und 46 Prozent der Protestanten, aber nur 33 Prozent der Konfessionslosen von ehrenamtlichen Tätigkeiten im vergangenen Jahr.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sprach für die katholische Kirche von einer ungeschminkten Bestandsaufnahme. Er sprach sich für umfassende Reformen aus und warnte davor, sich als "heiliger Rest" zu verstehen, "der sich schmollend zurückzieht und abschottet".

Die Kirchen müssten vor allem junge Menschen stärker im Blick haben, mahnte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Als positiv hob sie hervor, dass die Studie den Kirchen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie bescheinige.

Die Initiative "Wir sind Kirche" sprach von einem "Alarmzeichen, das nicht überhört werden kann und darf". Umso dringender sei es, endlich Reformen in der katholischen Kirche auch umzusetzen, etwa was die Rolle der Frauen und die Sexualmoral angehe.

Zuletzt geändert am 15­.12.2023