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Veröffentlicht am 23­.11.2023

Dr. Martin Schockenhoff, pro concilio

LEIDER DOCH KEIN FAKE!

Zum Papstschreiben vom 10. November 2023 an deutsche Reformkritikerinnen

Das muss ein Fake sein! dachte ich, als ich den Brief des Papstes vom 10. November 2023 an vier deutsche Theologinnen zum ersten Mal las. Die vier Frauen, die im Frühjahr 2023 unter Protest aus dem Synodalen Weg ausgeschieden waren, hatten dem Papst am 6. November 2023 ihre Bedenken gegen die Entwicklung in Deutschland mitgeteilt. Schon wenige Tage später ging ein Antwortschreiben mit Datum vom 10. November 2023 und persönlicher Unterschrift des Papstes durchs Web. Darin heißt es, dass sich große Teile der deutschen Kirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohe. Der geplante Synodale Ausschuss sei mit der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Anstatt immer neue Gremien zu gründen und in Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern, solle man besser beten, büßen und anbeten und sich um die Armen, Kranken und Gefangenen kümmern. Nein, dachte ich, das kann nicht vom Papst kommen. Die Formulierungen stammen teilweise auffällig mit den Worten überein, mit denen die vier Frauen ihr Ausscheiden aus dem Synodalen Weg begründet hatten. Und ein Antwortschreiben des Papstes innerhalb von nur vier Tagen? So schnell bekommt man sonst keine Antwort aus dem Vatikan, jedenfalls nicht als Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz oder als Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Vatican News vom 21. November 2023 belehrte mich eines Besseren: Der Brief stammt vom Papst, zumindest seine Unterschrift.

Es wäre besser gewesen, wenn der Papst sich etwas Zeit gelassen und zuvor die Synthese der Weltsynode gelesen hätte. Darin heißt es u.a., dass das Verhältnis zwischen Weihe und Laienämtern vertieft werden soll, um Spielräume für die Mitverantwortung zu erweitern (Nr. 12g), dass Mitverantwortungsgremien auch auf rechtlicher Ebene funktionsfähiger gemacht werden (Nr. 12k) und die Möglichkeit der Diakonatsweihe für Frauen geprüft werden sollen (Nr. 11j). Die große Mehrheit der Teilnehmer an der Weltsynode, zu denen bekanntermaßen auch etliche reformkritische Männer und Frauen gehörten, sehen in diesen zuvor bereits vom Synodalen Weg in Deutschland behandelten Fragen offenbar keine Gefährdung der sakramentalen Struktur der Kirche. Entgegen der Meinung des Papstes führen diese Fragen nicht immer weiter hinaus aus der Weltkirche, sondern sie wurden im Oktober 2023 von Teilnehmern aus aller Welt in Herz der Weltkirche getragen.

Besonders ärgerlich ist, dass der Papst mit seiner Pauschalkritik auch das Hauptthema des Synodalen Wegs – die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche – abqualifiziert. Er empfiehlt, statt „in Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern“, solle man „die Notwendigkeit des Gebets, der Buße und der Anbetung“ erkennen und sich um die Armen, Kranken und Gefangenen kümmern. Als ob dies ein Gegensatz wäre! Warum spielt der Papst Reformforderungen gegen die christliche Caritas aus?

Leider kein Fake, aber vermutlich ein bestelltes Schreiben. Der Papst hat es wohl mit leichter Hand unterschrieben. Er ist immer für überraschende Aussagen gut, und wer weiß, was er morgen sagt. Seine wegweisende Entscheidung, die Weltsynode einzuberufen und damit den Themen des Synodalen Wegs das Forum der Gesamtkirche zu eröffnen, wird durch dieses Briefchen nicht entwertet. Viel wichtiger wird sein nachsynodales Schreiben sein. Hoffen wir, dass er es selbst schreibt und Beschlüsse der Weltsynode aufnimmt. Oder sogar darüber hinausgeht. Der Paraklet  möge ihm beistehen.

Dr. Martin Schockenhoff, pro concilio

martin.schockenhoff@gleisslutz.com

Zuletzt geändert am 23­.11.2023