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Veröffentlicht am 22­.09.2008

22.9.2008 - Die Welt

Vatikan verärgert über deutsche Bischöfe

Von Gernot Facius 22. September 2008

Bürokratischer Widerstand gegen Messfeiern nach traditionellem Ritus

Bonn - Kardinäle und Bischöfe schauten betreten zu Boden, der Applaus der Eminenzen und Exzellenzen für den Papst fiel verhalten aus. Benedikt XVI. hatte den Granden der französischen Kirche eingeschärft, ihren Umgang mit den katholischen Traditionalisten zu ändern. Niemand dürfe das Gefühl haben, von der Kirche abgewiesen zu werden. Auch die Anhänger der alten tridentinischen Messe hätten in ihr ein Heimatrecht.

Die Szene hätte sich auch in Deutschland abspielen können. Wie die französischen Bischöfe sperrten sich ihre deutschen Amtsbrüder bis zuletzt gegen die Freigabe der vorkonziliaren Messliturgie durch den Papst am 7. Juli 2007. Sie fürchteten eine Spaltung unter den Gläubigen. Zu Unrecht, wie sich bisher gezeigt hat. Dennoch ist das Feuer des Widerstands nicht erloschen. Es brennt in den 27 Diözesen zwischen Freiburg und Görlitz in unterschiedlicher Stärke weiter.

Nur wenige Tage nach dem versteckten päpstlichen Rüffel für die Oberhirten der "ältesten Tochter der Kirche", kurz vor der Herbstvollversammlung der Bischöfe, die heute in Fulda eröffnet wird, beklagte sich Camille Perl, Sekretär der Päpstlichen Kommission "Ecclesia Dei", über den deutschen Episkopat. "Die Deutsche Bischofskonferenz hat sehr bürokratische Richtlinien veröffentlicht", sagte Perl in Rom. Sie erschwerten die Umsetzung der päpstlichen Anordnung. So würden meist nur Werktagsmessen im alten Ritus genehmigt. Bischöfe beanspruchen darüber hinaus ein Genehmigungsrecht, wenn Gruppen von Gläubigen verschiedener Pfarreien um eine Messe nach der alten Liturgie bitten.

Darüber zeigt sich unter anderem die Vereinigung "Pro Missa Tridentina" enttäuscht. Sie setzte sich seit vielen Jahren für die alte Messe ein und hatte dabei stets den heutigen Papst auf ihrer Seite. "Pro Missa Tridentina" ist noch über einen anderen Vorgang verärgert. In der Deutschen Bischofskonferenz gilt die Sprachregelung, die Nachfrage nach Messen im alten Ritus bleibe auch nach dem Moto proprio vom 7. Juli 2007 gering. Es seien Einzelpersonen oder kleine Gruppen, die daran interessiert seien, zahlenmäßig fielen sie nicht ins Gewicht, schon das bisherige Angebot sei ausreichend gewesen.

Dieser Einschätzung widerspricht die Vereinigung vehement. Ende Juni 2007 habe es in Deutschland 36 Orte gegeben, an denen die Messe regelmäßig im überlieferten römischen Ritus gefeiert worden sei. Seitdem habe sich die Anzahl auf rund 130 mehr als verdreifacht. Tendenz steigend. Der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards, der die Entwicklung kritisch sieht, sprach polemisch zugespitzt von einem "Eroberungsfeldzug".

In der Adelhauser Kirche im Zentrum der Bischofsstadt Freiburg kamen zur ersten, kurzfristig angekündigten Messe im alten Ritus 240 Gläubige. Das Ordinariat hatte mit sechs oder sieben Personen gerechnet. Beim zweiten Termin drängten sich schon 300 Menschen im Kirchenschiff. Viele Interessierte fanden keinen Platz und mussten nach Hause gehen. Und es sind nicht nur Senioren, die die alte Messe schätzen, sondern auch zunehmend junge Katholiken. "Es bleibt zu hoffen, dass Bischöfe und Priester diesen geistlichen Aufschwung begrüßen und ihren traditionsverbundenen Geschwistern im Glauben großzügig Gastfreundschaft in den immer leerer werdenden Kirchen gewähren", sagt "Pro Missa Tridentina"-Sprecherin Monika Rheinschmitt. Ihre Vereinigung hat Priestern aus dem Raum Stuttgart Unterweisung in der Feier der alten Messe angeboten. 20 Geistliche waren interessiert, einer von ihnen kam. Rheinschmitt führt das auf die "Furcht traditionsoffener Diözesanpriester vor Nachteilen" zurück.

Es ist nicht leicht, geeignete Geistliche für die Feier der tridentinischen Messe zu finden. Sie müssen, wie Thomas Maier, der Sprecher des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch, sagt, aus dem Diözesanklerus kommen; sie müssen bereit sein, auch im "ordentlichen Usus" des römischen Ritus zu zelebrieren, also die "neue" Messe feiern. Angehörige der zwar traditionalistischen, aber mit Rom verbundenen Petrusbruderschaft kommen dabei nicht infrage. Nur Priester, die voll und ganz hinter dem Zweiten Vatikanischen Konzil stehen, werden akzeptiert - das ist Konsens in der Bischofskonferenz, da unterscheiden sich die "Liberalen" nicht von den "Konservativen". Und aus "praktischen Gründen", so hat der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, ein Kirchenrechtler, schon 2007 zu bedenken gegeben, könne es gar keinen Rechtsanspruch auf die alte Messe geben. Wenn ein Priester, wie heute üblich, für bis zu sechs Gemeinden zuständig sei und in einer Kirche nur jeden zweiten Sonntag zelebriere, müsse das eben eine Messe für alle sein.

Die deutschen Bischöfe werden sich in Fulda mit den Erfahrungen nach dem Moto proprio "Summorum Pontificium" befassen. Und sie werden dabei auch auf Rom schauen, wo man über ihren hinhaltenden Widerstand verärgert ist. Der Präsident der päpstlichen Kommission "Ecclesia Dei", Kardinal Darío Castrillón Hoyos, ist allerdings nicht nur über den deutschen Episkopat ungehalten, er rügt auch übereifrige Traditionalisten. Anstatt dankbar zu sein über die Freigabe der alten Messe, verlangten manche Leute immer noch mehr, sogar die Reservierung von Kirchen ausschließlich für den alten Ritus. "Solche Leute sind unersättlich, unglaublich", zürnt der Kardinal in Rom. "Sie wissen nicht, wie viel Schaden sie anrichten. Wenn der Vatikan ihre Forderungen nicht sofort erfüllt, dann stellen sie ihre Beschwerden direkt ins Internet."

Zuletzt geändert am 22­.09.2008