17.12.2008 - Domradio
Klima zwischen Katholiken und Protestanten abgekühlt
2008 war kein Jahr herausragender ökumenischer Ereignisse, die kirchliche Großwetterlage blieb weitgehend ruhig. Das Jahr war weniger geprägt von gemeinsamen Aktionen der Kirchen. Man blieb mehr unter sich, nicht ohne sich gegenseitig kritisch zu beäugen: So etwa bei dem in diesem Jahr vom Vatikan gestarteten katholischen Paulusjahr oder der in Wittenberg eröffneten Luther-Dekade. 2009 wartet dagegen mit den gemeinsamen Vorbereitungen für den Ökumenischen Kirchentag 2010 in München auf.
Das Klima zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Protestantismus ist kälter geworden. Dies jedenfalls beobachtet der scheidende Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker. Die Basisökumene in den Gemeinden ist nach Einschätzung Steinackers jedoch sehr viel weiter. Eine Einschätzung, die von Ökumeneexperten seit Jahrzehnten geteilt wird und besonders auch für das Kirchenjahr 2008 zutrifft.
Paulusjahr und Lutherdekade machen nicht nur Freude
Protestanten zeigten sich kritisch gegenüber dem Paulusjahr und Katholiken blickten skeptisch auf die Luther-Dekade. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, sich dabei in ihrer eigenen Tradition abzuschotten. Vor einer Abgrenzung in der Ökumene warnte mit Blick auf die Luther-Dekade der „Ökumene-Minister“ des Papstes, Kurienkardinal Walter Kasper. Der Evangelische Bund nannte es wiederum bedenklich, dass der Vatikan den Apostel Paulus für sich vereinnahme und zum „Kronzeugen katholischer Frömmigkeit“ machen wolle.
Kritisch zur Ablasspraxis der katholischen Kirche äußerte sich der lutherische Bischof Friedrich Weber (Wolfenbüttel). Es bleibe „rätselhaft, wieso zu Beginn des Paulusjahres der Vatikan wieder auf die Möglichkeit verweist, einen 'vollkommenen Ablass' zu gewinnen“, rügt der Catholica-Beauftragten der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Die Reformation im 16. Jahrhundert entzündete sich vor allem an der Kritik Martin Luthers (1483-1546) an bizarren Formen der Ablasspraxis der damaligen Kirche.
Stammzellforschung entzweit christliche Kirchen
Katholische Moraltheologen und evangelische Ethiker geraten beim Thema Stammzellforschung aneinander. Deren Kirchenleitungen waren sich in der Ablehnung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bislang einig. Viele Protestanten - vor allem Akademiker - plädieren jedoch für mehr Forschungsfreiheit. Zum offenen Bruch zwischen der katholischen und evangelischen Position in dieser Frage kam es, als die Evangelische Kirche und allen voran ihr Ratsvorsitzender Bischof Huber für eine Ausweitung der Forschung eintrat.
Doch in der Ökumene knirscht es nicht nur zwischen Protestanten und Katholiken - und auch nicht nur in Deutschland. Auf europäischer Ebene wird bedauert, dass die Russische Orthodoxe Kirche ihre Mitgliedschaft in der Ökumene-Organisation „Konferenz Europäischer Kirchen“ (KEK) ruhen lässt, einem Zusammenschluss von 120 protestantischen und orthodoxen Kirchen. Grund ist aus Sicht der Russen die fehlende Bereitschaft der KEK, eine Aufnahme der mit Moskau verbundenen Estnischen Orthodoxen Kirche zu befürworten.
Anglikaner kurz vor Spaltung
Für die Anglikaner gab es 2008 eine der größten Zerreißproben:
Eine reale Spaltung der rund 77 Millionen Christen umfassenden Weltgemeinschaft wurde im Sommer jedoch knapp abgewendet. Die vom Streit über schwule Bischöfe, homosexuelle Partnerschaften und die Weihe von Bischöfinnen überschattete dreiwöchige Weltkonferenz in Canterbury endete im August mit einem Bekenntnis zur Einheit. Die Lambeth-Konferenz, zu der rund 670 Bischöfe angereist waren, findet nur alle zehn Jahre statt. Die schärfsten Kritiker nahmen jedoch erst gar nicht teil.
Zurück in Deutschland: Gut war die ökumenische Stimmung im Mai auf dem Katholikentag in Osnabrück. Dort hatten sich mehr als 60.000 - nicht nur katholische - Christen versammelt. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann formulierte dort als ökumenisches Ziel: „Solange wir als Kirchen nicht gegenseitig unsere Ämter anerkennen und gemeinsam die Eucharistie feiern können, gibt es unterhalb dieser Ebene unendlich viel zu tun.“
Der ehemalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, mahnt zugleich zu Geduld. Die Ökumene brauche einen langen Atem. Sein Nachfolger, der im Februar gewählte Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, will den ökumenefreundlichen und vermittelnden Kurs Lehmanns fortführen. Das Bemühen um die Ökumene von katholischen und evangelischen Christen nannte Zollitsch einen Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit. Und nach Ansicht des Erzbischofs von München und Freising, Reinhard Marx, ist das Verhältnis zur evangelischen Kirche grundsätzlich gut: „Ich sehe keinen Rückschritt und keine Eiszeit, das sind propagandistische Begriffe.“
Also dürfte nach einem eher schwierigen Jahr 2008 das kommende Jahr mit den Vorbereitungen für den gemeinsamen Kirchentag der Katholiken und Protestanten 2010 in München eher im Zeichen der Ökumene stehen.
(Stephan Cezanne / dr,epd)
Zuletzt geändert am 18.12.2008