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Veröffentlicht am 02­.12.2009

2.12.2009 - Münchner-Kirchenzeitung

Brüche und Aufbrüche. Beim dritten Zukunftsforum geht es hoch her

Manch einer wäre an diesem sonnigen Samstag lieber zu einer Bergtour aufgebrochen, doch er hätte einen Aufbruch verpasst, dessen Dramatik nicht mit der alpinen Dimension des Freisinger Dombergs begründet werden kann. Die über 120 Mitglieder des Zukunftsforums der Erzdiözese waren zum dritten Mal zusammen gekommen, um aus den gesammelten »Zeichen der Zeit« Herausforderungen für die Seelsorge zu formulieren. Doch schon bald nach der Staffelübergabe vom jetzigen Finanzdirektor Klaus Franzl an den neuen Projekt-Verantwortlichen und künftigen Generalvikar Peter Beer sowie Monsignore Wolfgang Bischof, den neuen Projekt-Leiter, da wurde deutlich, dass zu Aufbrüchen auch Brüche gehören.

Es meldeten sich mehrere kritische Stimmen, die in einer emotionalen Wortmeldung der Gemeindereferentin Elisabeth Stanggassinger aus der Messestadt Riem gipfelten: »Während draußen die Welt brennt, formulieren wir hier Allgemeinplätze.« Diese Spur sei ihr zu schmal, da wolle sie nach reiflicher Überlegung nicht mehr mitgehen. Erzbischof Reinhard Marx entgegnete, der Prozess brauche Vertrauen, sonst müsse er ihn beenden. In bewegender Debatte, die manch gestandenem Pfarrer Tränen in die Augen trieb, versuchten viele, Stanggassinger zum Bleiben zu bewegen. Das gelang zwar nicht, aber immerhin war der Vertrauensbruch vom Tisch. 2.778 Rückmeldungen aus Pfarreien, Einrichtungen und Verbänden sind im Projektbüro »Dem Glauben Zukunft geben« eingegangen. Diese »Zeichen der Zeit« böten ein »buntes, stark binnenkirchlich geprägtes Bild«, berichtete Diakon Ulrich Reitinger. Thematisiert würden vor allem die »Erosion der volkskirchlichen Praxis«, aber auch der Priestermangel und Strukturfragen. Ratlosigkeit herrsche, wie missionarischer Aufbruch möglich sei. Gesellschaftliche Fragen würden kaum angesprochen, anders als bei den vom Forum selbst formulierten zehn »vordringlichen« Zeichen.

Trotzdem gelte es nun, diese beiden Stränge zusammenzubringen und als dritte Säule die Forderungen des Jugendforums einzubeziehen. Vor der Korbinianswallfahrt hatten sich 800 Jugendliche mit der Bistumsleitung getroffen (wir berichteten) und sich etwa für die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in kirchlichen Ämtern und für mehr Wertschätzung des Ehrenamts stark gemacht. Die fünf Jugend-Vertreter beim Zukunftsforum präsentierten ihre Themen mit einem Film und einem Banner, das den ganzen Tag über von der Empore im Döpfner-Haus hing.

»Mit diesem Schritt schreiben wir Kirchengeschichte«, betonte Regens Franz Joseph Baur, der die Weiterarbeit in elf Untergruppen einleitete. Kirchliches Handeln müsse gleichzeitig »zielsicher« und »situationsgerecht« sein. Dazu gehöre der Blick auf Christus und eine gewisse Disziplin. Konkrete Ergebnisse der Arbeitsgruppen waren etwa die Forderung nach einem Armutsbericht für jede Pfarrei und die Stärkung von Ehe und Familie, wobei man Brüche nicht aussparen dürfe. Die Kirche müsse sich einer Sprache bedienen, die Menschen von heute verstehen. Außerdem gehe Eucharistie vor Zölibat, die Zugangsbedingungen zur Priesterweihe seien zu überprüfen.

Die vielen Gesprächsfäden zusammenzubinden, erinnere ihn an den »gordischen Knoten«, merkte Projekt-Leiter Wolfgang Bischof am Ende des Tags an, aber man müsse den ganzen Weg im Blick behalten. Prälat Peter Beer mahnte ehrlichen Umgang mit Kritik an und forderte eine klare Kommunikation, die auch nach den Anliegen hinter so genannten Tabu-Themen forsche. Letztlich gehe es um eine »attraktive Kirche, die heute ansprechbar ist«. Dieser Prozess führe auch zu einer Selbstvergewisserung im Glauben. Erzbischof Marx dankte allen Beteiligten, »denen der Glaube ein Herzensanliegen ist«. Das Forum könne nicht alle Probleme der Kirche lösen. Es gehe um eine »nüchterne Vision«, man müsse die Kirche nicht neu erfinden, ihr aber neuen Schwung geben. »Der Mensch fängt an zu überlegen, wann wird sich endlich was bewegen, was neuen Aufbruch uns verheißt und gleichsam von den Stühlen reißt«, so kleidete Hans Fellner, der Haus- und Hofdichter des Ordinariats, einen bewegten Tag auf dem Freisinger Domberg in Verse. Wenn die Tour auch bei manchem einen Muskelkater hinterließ, führt der doch zu mehr Kondition auf dem Weg zum Gipfel, auf dem das eigentliche »Zeichen der Zeit« steht.

Johannes Schießl

Quelle: http://www.muenchner-kirchenzeitung.de/EMF074/EMF007390.asp?NewsID=16967

Zuletzt geändert am 02­.12.2009