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Veröffentlicht am 05­.05.2010

5.5.2010 - welt-online.de

Muss ein Kirchenmitglied automatisch Kirchensteuer zahlen?

Von Gernot Facius

Deutsche Richter und Bischöfe meinen Ja - Doch es gibt einen grundsätzlichen Widerspruch zur Auffassung des Vatikans

Bonn/Mannheim - Wer einer Kirche angehört, muss nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg definitiv Kirchensteuer zahlen. Die Mannheimer Richter entschieden damit gegen den emeritierten Kirchenrechtler Hartmut Zapp, der im Jahr 2007 aus der römisch-katholischen Kirche als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" ausgetreten war, aber darauf beharrt, katholisch zu bleiben.

Das Kirchensteuergesetz des Landes lasse einen "modifizierten Kirchenaustritt" nicht zu, sondern verlange eine eindeutige Erklärung ohne Bedingungen. Ein reiner "Kirchensteueraustritt" sei deshalb nicht statthaft, eine Austrittserklärung könne nicht auf den "staatlichen Rechtskreis" beschränkt werden. Das Erzbistum Freiburg begrüßte die Entscheidung, die für "Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit" sorge.

Noch 2009 hatte Zapp vor dem Freiburger Verwaltungsgericht recht bekommen. Die Juristen von Erzbischof Robert Zollitsch zogen daraufhin vor die höhere Instanz. Die ließ nun eine Revision nicht zu.

Dennoch ist ein Ende des Streits nicht in Sicht. Denn dem Professor geht es im Kern um eine Antwort auf die Frage: Kann jemand wegen der Verweigerung der Kirchensteuer aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen werden. Nach Rechtsauffassung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist das so. Zapp hingegen beruft sich auf den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte. Der hatte 2006 festgestellt, dass die Austrittserklärung vor dem Staat kein Kirchenaustritt sei und auch keine kirchlichen Rechtsfolgen haben könne, etwa die Exkommunikation. Der 71-jährige Zapp will Rom zu einer Entscheidung zwingen.

Das Gericht hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass keine staatliche Instanz darüber entscheiden könne, welche innerkirchlichen Folgen ein vor einer staatlichen Behörde erklärter Kirchenaustritt habe. Ob es eine Kirchenmitgliedschaft ohne Steuerpflicht geben könne, sei allein kirchliche Angelegenheit. Die Position der DBK, dass ein Austritt automatisch den Ausschluss von den Sakramenten nach sich ziehe, ist umstritten. Thomas Schüller, Kirchenrechtler an der Uni Münster, hat Zweifel an der Verbindlichkeit einer bischöflichen Erklärung zum kirchlichen Finanzwesen aus dem Jahr 1969, mit der eine Art Rechtstradition begründet werden soll. Dieses Papier, so sagte Schüller der WELT, sei "kein rechtlich relevanter Text, sondern eine einfache Erklärung ohne normative Wirkung". Es gebe in Deutschland kein partikulares Strafgesetz, in dem die Exkommunikation als Folge des Austritts aus der Körperschaft Kirche festgehalten sei.

In Österreich etwa muss der Pfarrer einen Ausgetretenen nach den Gründen für seinen Schritt fragen und ihm mitteilen, dass man von der Trennung vom Glauben ausgehe, wenn er sich nicht innerhalb von drei Monaten melde. Die Schweizer Bistümer Chur und Basel sehen keinen formalen Akt des Abfalls von der Kirche, solange der Ausgetretene einen Beitrag in einen Bischofsfonds einzahlt.

Und Professor Zapp wäre nicht der Erste, der in Rom eine Klärung anstrebt. Bei der Bischofskongregation liegt die Beschwerde des Diplom-Ingenieurs Andreas Janker gegen den Regensburger Oberhirten Gerhard Ludwig Müller. Der Mann hatte aus Protest gegen das von ihm als anstößig empfundene kirchliche Engagement als "einer der größten Versicherungsmakler in Deutschland" beim Standesamt Altomünster den Austritt aus der "Körperschaft römisch-katholische Kirche" erklärt. Wie Janker der WELT sagte, betrachtet die Behörde die Erklärung "nicht als unwirksam". Der Bischof habe jedoch in das Taufregister die Tatstrafe der Exkommunikation eingetragen. Gegen diesen "rechtswidrigen Eintrag" legte Janker Protest ein.

Ob Rom geneigt sein wird, den Beschwerdeführern entgegenzukommen, wird in Kirchenkreisen bezweifelt. Immerhin nimmt die deutsche Kirche jährlich rund fünf Milliarden Euro an Steuern ein und gehört zu den wichtigsten Finanziers des Vatikans.

Zuletzt geändert am 05­.05.2010