15.7.2014 - KNA
Fürst über Kirchenaustritte beunruhigt - Forderung nach Dialog
Vor Journalisten in Stuttgart sagte Fürst, die Kirche müsse Entfremdung und Enttäuschung vieler überwinden und in wachsendes Vertrauen umzukehren versuchen. Entfremdung und Enttäuschung sind laut einer Studie die entscheidenden Faktoren, die Menschen zum Kirchenaustritt bewegen. Fürst äußerte sich zur Veröffentlichung des Buchs "Zukunftshorizont Kirche. Was Katholiken von ihrer Kirche erwarten". Grundlage der Studie ist eine Untersuchung unter 3.000 Katholiken und 1.000 Nichtkatholiken in Württemberg durch das Reutlinger Institut für empirische Strategieberatung Pragma.
Aufgabe der Kirche ist es aus Sicht des Bischofs, Menschen bei ihrer Suche nach religiöser und ethi-scher Orientierung zu begleiten. Dabei müsse die Kirche dem Anspruch gerecht werden, die Men-schen in der Eigenständigkeit von Denken, Glaubensvollzug und Lebensgestaltung zu respektieren, zugleich aber der Botschaft des Evangeliums treu zu sein. Fürst sprach sich für einen offenen und freien Dialog über diese Fragen aus.
Laut der Studie trägt sich ein Viertel der Menschen mit dem Gedanken an einen Kirchenaustritt. Da-bei gibt es sowohl ein Armutsrisiko als auch ein Reichtumsrisiko. Das heißt: Sowohl Arme als auch Reiche denken überdurchschnittlich häufig an einen Kirchenaustritt.
Unzufrieden zeigte sich Fürst mit der Debatte über den von den Banken und Sparkassen organisier-ten Abzug von Kirchensteuern auf Kapitalerträge. Durch die neue Praxis werde nun der Eindruck erweckt, als kooperierten Banken und Kirchen. Dies sei "sehr kontraproduktiv". Fürst bezeichnete Dialog als eine Haltung. Die Kirche müsse "ein vertrauenswürdiger Akteur in einer pluralen Gesellschaft" sein. Als Hauptproblem für eine sinkende Kirchenbindung sieht der Bischof nicht Debatten über Sachfragen, sondern "eine immer mehr um sich greifende Gleichgültigkeit und Indifferenz" an. Nach der Pragma-Studie gaben 33 Prozent derjenigen, die über einen Kirchenaustritt nachgedacht haben, Entfremdung als Grund für ihre Überlegung an. Finanzielle Motive, die Moral- und Sittenlehre sowie der Missbrauchsskandal wurden von jeweils 12 bis 15 Prozent genannt. Als Gründe für eine Kirchenmitgliedschaft nannten je die Hälfte der Katholiken überzeugende Menschen, Orientierung in Wertefragen, die Kirche als Ort von Heimat sowie Gottesdienste.
Die Studienleiter zogen daraus den Schluss, dass es sowohl eine hohe Stabilität der Kirchenbindung als auch ein "nennenswertes Risikopotenzial" gebe. Gottesglaube und Religiosität seien tief veran-kert. Zudem gebe es ein starkes Bedürfnis nach Spiritualität. Positiv sehen die Katholiken die Rolle von Christentum und Kirche als einer gesellschaftsgestaltenden Kraft. Drei Viertel der Katholiken teilen die Erwartung an eine engagierte, tolerante und kommunikationsfähige Kirche. Die Idee des Dialog- und Erneuerungsprozesses finden 80 Prozent sehr gut oder gut und weitere 16 Prozent noch teilweise gut.
Zuletzt geändert am 15.07.2014