| |
Veröffentlicht am 06­.09.2014

6.9.2014 - Münchner Kirchennachrichten

Angst vor öffentlichen Debatten?

Renovabis-Kongress zu Kirche und Medien

Geht es nach der TV-Quote, liegen Kirchenvertreter und Journalisten gut im Rennen. Deutschlands beliebteste Serie ist seit Jahren "Um Himmels Willen". An die 6,5 Millionen schauen bei jeder neuen Folge über die Ordensschwestern zu. Abseits der Mattscheibe sieht es anders aus.

Freising - Mittlerweile sei das Ansehen der Kirche bei den Leuten da gelandet, wo sich das der Journalisten seit Jahren befindet: "nämlich im Keller", wie Christiane Florin Bilanz zieht. Die Redaktionsleiterin von "Christ und Welt", der Beilage in der Wochenzeitung "Die Zeit", ist bekannt für ihre messerscharfen Analysen. Bei der Podiumsdiskussion über "Chancen und Risiken der (neuen) Medien" beim Internationalen Kongress Renovabis, der am Freitag in Freising zu Ende ging, nimmt sie erneut kein Blatt vor den Mund. Bis heute sei die katholische Kirche nicht wirklich darin geübt, eine offene Diskussion zu führen. Wer aber wie die Kirche in die Öffentlichkeit gehe, müsse sich der Debatte stellen, so ihre Überzeugung. "Sie müssen heute mehr erklären und können nicht nur auf Gehorsam setzen."

Wer als Journalist, selbst eines kirchlichen Mediums, einen Kirchenmann für ein Statement bekommen will, tut sich oft schwer. "Wir kriegen eher Minister als Bischöfe", sagt der Chefredakteur des Kölner domradios, Ingo Brüggenjürgen. Am besten sollten auch noch drei Wochen vorher die Fragen eingereicht werden. Michaela Pilters, langgediente Kirchenredakteurin beim ZDF, pflichtet ihm bei: "Wir könnten bei uns ein Korbwarengeschäft aufmachen, weil wir so viele Körbe bekommen."

Angst bei Interviews

Woran das liegt? "Ich habe selten soviel Angst bei Interviews erlebt, wie dies bei kirchlichen Würdenträgern der Fall ist", so Florin. Schon seit Tagen etwa bemühe sich ihre Redaktion um eine Stimme aus der deutschen Kirche als Reaktion auf einen belgischen Bischof, der eine Debatte über die katholische Morallehre angestoßen hat - bisher vergeblich. Hinterher aber heiße es wieder, man komme nicht vor. Doch: "Wenn man nichts sagt, kann man sich auch nicht beschweren." Angesichts interner Flügelkämpfe sei die Angst groß, etwas vermeintlich Falsches in die Welt zu setzen. Dabei gelte meist die Abwägung: "Ist das katholisch, ist das richtig und hat das Joseph Ratzinger auch schon gesagt?"

Loyalität gegenüber der Kirche als katholische Journalisten ist laut Florin grundsätzlich nichts Schlechtes. Nur gelten auch für sie alle handwerklichen Kriterien wie für andere Kollegen. "Gerade weil mir Kirche lieb ist, muss ich kritisch sein, als ihr nur im blinden Gehorsam gegenüber stehen." Der freie Publizist Andreas Püttmann hat damit ebenfalls seine Erfahrungen gemacht. Als er herausfand, dass bei einem bejubelten Vortrag von Ex-"Tagesschau"-Sprecherin Eva Herman bei einem eher konservativen katholischen Forum über Familie höchst zweifelhaftes Gedankengut eingeflossen sei, war sein Beitrag bei einem Medium dieser katholischen Klientel auf einmal nicht mehr gefragt.

Jeder bleibt im "Schützengraben"

Angst vor der Wahrheit zu haben, weil man das eigenen Publikum nicht brüskieren wolle, sei der "Anfang vom Ende", betonte Püttmann. Dazu kämen nun noch die sozialen Medien. Auf Texte und Veröffentlichungen könne dort jeder schnell reagieren, wobei meist eine "hohe Emotionalität" dazu komme. So sei auch ihm schon vorgeworfen worden, als "Verdunkler" der Sache Jesu zu fungieren. Ob Voll-, Halb- oder Dreiviertel-Katholiken, sie alle hätten im Netz ihre Nischen gefunden, ergänzte Florin. Türen würden jedoch keine geöffnet, jeder bleibe in seinem "Schützengraben".

Wenn Debatte funktionieren solle, müsse jeder frei sagen können, was sein Anliegen sei, betonte Florin. "Aber die kirchlichen Hierarchien müssen uns diese Freiheit auch lassen." Die Menschen suchten nach Hilfe, was für ihr Leben gut und erfüllend sei. Kirche habe sich wieder stärker den Sinnfragen stellen, betonte Püttmann. "Wir haben wunderschöne Papiere", meinte der Chef des domradios in Bezug auf kirchliche Schreiben oder gar die Zehn Gebote. Nur deren Umsetzen sei mitunter halt so schwierig. (kna/Barbara Just)

http://www.muenchner-kirchennachrichten.de/meldung/article/angst-vor-oeffentlichen-debatten.html

Zuletzt geändert am 08­.09.2014