12.3.2007
Maßregelung des Jesuiten Jon Sobrino aus El Salvador
Der Erzbischof von San Salvador, Fernando Saenz Lacalle, bestätigte am Sonntag, dass der Vatikan Sanktionen gegen den Jesuiten Jon Sobrino, Theologe an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador (UCA) verhängt habe, weil er in seinen Schriften die Menschlichkeit Jesu Christi einseitig gegenüber seiner Göttlichkeit hervorhebe. Der Erzbischof informierte darüber, dass die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre Sobrino mitgeteilt habe, ihm werde jeglicher theologische Unterricht in allen katholischen Studienzentren untersagt, „solange er seine Thesen nicht revidiere; die Göttlichkeit Jesu Christi, der wahrhaft der menschgewordene Sohn Gottes ist, gehört zum Wesensbestand unseres Glaubens“.
Nach der Sonntagsmesse in der Kathedrale von San Salvador sagte Saenz Lacalle in einer Pressekonferenz, dass der Vatikan „bereits seit geraumer Zeit seine (Sobrinos) Schriften studiert und ihn bereits vor Jahren ermahnt hat“. „Der Heilige Stuhl stellt fest, dass die Thesen der theologischen Studien über Jesus Christus, die Pater Sobrino publiziert hat, mit der Lehre der Kirche nicht übereinstimmen; er wird daher in keinem katholischen Studienzentrum mehr Theologie unterrichten können, solange er seine Thesen nicht revidiert.“
Der Erzbischof bekundete: „Ich bete zu Gott für Pater Sobrino, dass er sich den Lehren der Kirche unterwirft und seine Thesen revidiert.“
Als ein Journalist Saenz Lacalle ausdrücklich fragt, ob Sobrino die Göttlichkeit Jesu in Zweifel gezogen habe, antwortete er: „Ja, das sind seine theologischen Thesen, er ist sich seiner Menschlichkeit bewusst, aber nicht seiner Göttlichkeit; daher sind sie nicht mehr katholisch.“
Sobrino seinerseits hat es abgelehnt, vor der Presse die Maßnahmen des Vatikans zu kommentieren, die laut anderen kirchlichen Quellen am kommenden Donnerstag veröffentlicht werden sollen.
Sobrino wurde am 27. Dezember 1938 in Bilbao (Spanien) geboren, wohnt seit 50 Jahren in El Salvador, arbeitet vor allem als Dozent an der UCA und schrieb zahlreiche Bücher, hauptsächlich über die Theologie der Befreiung.
Quelle: http://www.periodistadigital.com/religion/ 12. März 2007
> Brief von Jon Sobrino SJ an den Generaloberen des Jesuitenordens zur "Notificatio" der vatikanischen Glaubenskongregation aus dem Dezember 2006
(zuerst veröffentlicht am 13.03.2007 auf dem spanischen Internetportal "Atrio")
Übersetzung von Norbert Arntz
> Gemeinsame Presseerklärung: Heute hat die vatikanische Glaubensbehörde den weltberühmten (Befreiungs)-Theologen Jon Sobrino verurteilt. ( 14.03.2007)
hier
> Peter Hünermann: Moderne Qualitätssicherung? Der Fall Jon Sobrino ist eine Anfrage an die Arbeit der Glaubenskongregation
HERDER KORRESPONDENZ 61 4/2007
> Theologen solidarisch mit Jon Sobrino
Herausgeber der internationalen katholischen Zeitschrift "Concilium"
> Infomationen auf den Seiten des Instituts für Theologie und Politik
www.itpol.de
> Wir sind Kirche begrüßt Theologenforderung nach Reform der Glaubenskongregation
Pressemitteilung vom 1.5.2007
> Dr. Willi Knecht: Solidarität mit einer Kirche der Armen - Zur Theologie von Jon Sobrino
www.cajamarca.de/Sobrino.htm
> Internationale Katholische Basisbewegungen unterstützen P. Jon Sobrino und fordern Reform der Glaubenskongregation
Pressemitteilung vom 1.5.2007
> EATWOT's Theological Commission on Christology of Liberation: Getting the Poor Down from the Cross: Christology of Liberation
e-book
> Plattform Theologie der Befreiung
www.befreiungstheologie.net.tc/
> Offener Brief zur Maßregelung von P. Jon Sobrino SJ
Offener Brief mit Unterschriftsliste zum Downloaden
Papst Johannes Paul II 1986 zu einer Delegation der Brasilianischen Bischofskonferenz CNBB: Die Theologie der Befreiung ist nicht nur "opportun, sondern nützlich und notwendig" und stellt eine "neue Phase" in der Tradition theologischen Denkens dar. Zitiert nach: Nikolaus Klein, Brasilien - eine notwendige Erinnerung; in: Orientierung 6/2007,Seite 63 |
Süddeutsche Zeitung vom 12. März 2007
Ganz der Alte
Der Papst maßregelt Befreiungstheologen aus El Salvador
Jon Sobrino aus El Salvador ist ein drahtiger Mann mit asketischem Gesicht, er spricht ganz gut Deutsch, weil er, der Jesuit, mal in Frankfurt an der Jesuitenhochschule studierte. Vor allem aber gehört der 68-Jährige zu einer klein gewordenen Gruppe in der katholischen Kirche: Er ist Befreiungstheologe. Sobrino war ein Berater von Erzbischof Oscar Romero, den 1980 in San Salvador eine Todesschwadron ermordete, weil er gepredigt hatte, dass die Kirche an der Seite der Armen, nicht der Großgrundbesitzer stehen müsse. Auch Sobrino entkam nur knapp dem Tod: Am 16. November 1989 überfiel ein Kommando der salvadorianischen Armee die Jesuitengemeinschaft, erschoss die Patres, die Köchin, deren Tochter, neun Menschen insgesamt. Der Theologe war zu dieser Zeit auf einem Seminar in Thailand – sein Glück.
Mit Romeros Einsatz für die Armen schmückt sich nun die katholische Kirche: Für den Märtyrerbischof läuft ein Seligsprechungsverfahren. Dem Berater und geistigen Erben Sobrino, der in Lateinamerika viel gelesen wird, steht dagegen Ärger bevor: Am 15. März, dem kommenden Donnerstag, wird die Glaubenskongregation unter ihrem neuen Präfekten Kardinal William Levada eine „Notifikation” veröffentlichen, die eine Reihe der Werke Sobrinos verurteilt. Erstmals im fast zwei Jahre währenden Pontifikat Benedikts XVI. trifft einen Theologen eine Lehrverurteilung. Und es ist, als würden die Konflikte aus den achtziger Jahren wiederauferstehen, als Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, gegen populäre Befreiungstheologen wie Leonardo Boff stritt, weil sie nach seiner Meinung die Botschaft Jesu unzulässig politisierten. Eingeleitet wurde das Verfahren gegen Sobrino im Jahr 2001 – unter dem Präfekten Ratzinger.
Die „erklärende Note”, die der Verurteilung vorausgeht und die der SZ vorliegt, betont, dass „die Option für die Armen und Unterdrückten” von „der gesamten Kirche geteilt” werde. Andererseits stellt der Text klar, dass der Fall des Paters Sobrino einer dringenden Untersuchung bedurft hätte, wegen der „großen Gefährlichkeit” seiner Thesen und der möglichen „Verwirrung der Gläubigen”. Die Glaubenskongregation wirft dem Theologen vor, er rede – vor allem in seinem Buch „Jesus, der Befreier” – nicht klar genug von der Göttlichkeit Jesu, sondern beschreibe sie als Produkt späterer theologischer Reflexionen; er vermenschliche zu sehr den Gottessohn. Insgesamt laufen die Vorwürfe darauf hinaus, dass Sobrino Jesus zu sehr als solidarischen Begleiter der Menschen und zu wenig als Christus, den göttlichen Erlöser beschreibt. Gerade Joseph Ratzinger aber hat, zum Beispiel in der von ihm verfassten Erklärung „Dominus Jesus”, die „Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche” herausgestellt. Noch im März soll des Papstes Buch „Jesus von Nazareth” erscheinen – die Verurteilung von Sobrinos Christologie wirkt wie ein Vorspiel dazu.
Was Sobrino (von dem auch Freunde sagen, er sei kein Meister der Differenzierung) nun droht, ist schwer zu sagen. Die Notifikation kündigt keine Sanktionen an; sie wolle klarstellen, „dass theologische Reflexion kein anderes Fundament haben kann als den Glauben der Kirche”. Und doch wird die Verurteilung vor der Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe, die am 13. Mai beginnt, für einige Aufregung sorgen: Gehen die alten Kämpfe wieder los? Sobrino selber sei gelassen, heißt es: „Theologen sollen fröhliche Leute sein,” hat er einmal gesagt.
Matthias Drobinski
Zuletzt geändert am 06.07.2007