22.9.2007 - Süddeutsche Zeitung
Bischof Müller wäscht Hände in Unschuld
Regensburger Hirte sieht keine Mitverantwortung für den mutmaßlichen Missbrauchsfall in Riekofen
Von Peter Schmitt
Regensburg – Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller lehnt weiterhin jede Mitverantwortung für den mutmaßlichen Kindsmissbrauch durch einen Pfarrer in der Gemeinde Riekofen ab. Drei Wochen nach der Verhaftung des 39 Jahre alten, einschlägig vorbestraften Priesters stellte sich Müller am Freitag erstmals der Presse. „Die Entscheidung war wohlbegründet”, verteidigte der Bischof den Einsatz des pädophilen Priesters in dem 800 Einwohner zählenden Ort im Landkreis Regensburg. Auf Fragen nach persönlichen Konsequenzen sagte Müller: „Die Verantwortung für die Tat trägt der Täter.” Müller äußerte zwar sein Bedauern über den Vorfall und sprach den Eltern und den seelisch verletzten Kindern sein „Mitgefühl” aus, eine Entschuldigung kam dem Regensburger Oberhirten aber nicht über die Lippen. Eine Antwort auf die Frage, ob er den Gläubigen der Pfarrei Riekofen noch in die Augen sehen könne, blieb Müller gänzlich schuldig.
Dass überhaupt ein wegen sexuellen Missbrauchs verurteilter Priester wieder als Ortspfarrer eingesetzt werden konnte, begründete der Bischof mit der eindeutigen Prognose eines Psychiaters. Dieser habe Pfarrer K., nachdem dieser für den Missbrauch zweier Buben in Viechtach (Landkreis Regen) eine Bewährungsstrafe erhalten hatte, von 1999 an über mehrere Jahre betreut. Sein im Jahr 2003 erstelltes Gutachten sei absolut positiv gewesen. Es sei auch nicht richtig, dass der Psychotherapeut von der Kirche bestellt worden sei. Vielmehr sei dies eine Entscheidung des Gerichts gewesen. Bei dem Beschluss, K. nach Ablauf der vierjährigen Bewährungsfrist wieder als Pfarrer einzusetzen, und ihm dabei auch Kinder und Jugendliche anzuvertrauen, sei „juristisch nichts falsch gelaufen”, erklärte der Justitiar der Diözese Regensburg, Thomas Pfister. Leider habe sich die Prognose für Pfarrer K. als falsch erwiesen. Dagegen sei man aber bei Prognosen nie gefeit.
Für die Tat könne nicht die Kirche verantwortlich gemacht werden, sagte der Bischof. Er selbst sei mit der Neubestallung des vorbestraften Priesters nur am Rande befasst gewesen. Sowohl die Vorfälle von 1999 und die Verurteilung K.s im Jahr darauf hätten vor seinem Amtsantritt in Regensburg gelegen. Der Vorschlag, dem Priester wieder eine Pfarrei an die Hand zu geben, sei vom Personalausschuss geprüft und übernommen worden.
Müller sagte weiter, dass nach dem modernen Rechtsempfinden auch bei dem Pfarrer der Grundgedanke der Resozialisierung gegolten habe. „Wenn Jesus auch den schlimmsten Sündern verziehen hat und nach menschlichem Ermessen bei Pfarrer K. kein Übergriff mehr zu erwarten war, wie konnte man ihm eine zweite Chance versagen?”, fragte der Bischof. In Zukunft müssten solche Entscheidungen aber gründlicher überprüft werden. Um Gefahren besser abschätzen zu können, könnten die Gutachten vielleicht transparenter gemacht werden und auch ein Austausch zwischen den Diözesen stattfinden, sagte Müller. „Für mich gibt es hier nur Null-Toleranz.” Er wolle dieses Thema mit seinen Kollegen bei der Deutschen Bischofskonferenz besprechen.
Von möglichen weiteren Opfern in Riekofen will das Bistum nichts wissen. In gewundenen Worten sagte Generalvikar Michael Fuchs: „Ich habe Hinweise auf auffälliges Verhalten bekommen, aber nicht auf weiteren sexuellen Missbrauch.” Bischof Müller versprach den Angehörigen des Opfers in Riekofen jede erdenkliche Hilfe.
Müller verteidigte zudem die kurzfristige Absage seines für diesen Sonntag geplanten Besuchs in Riekofen. Die Aufarbeitung des Missbrauchsfalls müsse von der Installation des neuen Ortspfarrers getrennt werden. Da der Gottesdienst am Sonntag noch immer von dem anderen Geschehen überlagert werde, wolle er lieber zu einem späteren Termin nach Riekofen fahren und mit den Betroffenen reden.
Zuletzt geändert am 23.09.2007