Januar 2024 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)
Die Letzten löschen die Kerzen aus
Die im November 2023 veröffentlichte sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (kmu.ekd.de), an der erstmals auch die katholische Kirche beteiligt war, ist erschreckend ausgefallen. Seit Jahren ist von einer Vertrauenskrise die Rede, wenn es um die Kirchen in Deutschland geht. Diese Zahlen belegen nun, wie dramatisch die Lage wirklich ist.
Unter den evangelischen Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch sechs Prozent als gläubig und kirchennah, unter den katholischen Kirchenmitgliedern sogar nur noch vier Prozent. 33 Prozent der evangelischen und immerhin 36 Prozent der katholischen Mitglieder fühlen sich der Kirche verbunden. Aber bemerkenswerte 80 Prozent der evangelischen und sogar 96 Prozent der katholischen Mitglieder sagten, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Auf katholischer Seite wird die Abschaffung des Zölibats (95 Prozent), die demokratische Wahl kirchlicher Führungspersonen (87), die Segnung homosexueller Partnerschaften (86) und mehr Zusammenarbeit zwischen katholischer und evangelischer Kirche (93) gefordert. Es sind genau die Reformen, für die sich Wir sind Kirche gemeinsam mit anderen Reformkräften seit Langem einsetzt und die jetzt – endlich – auch auf dem Synodalen Weg und der Weltsynode behandelt werden.
43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen Mitglieder werden in der Untersuchung als „austrittsgeneigt“ eingestuft. Der Mitgliederschwund könnte sich also noch weiter beschleunigen; laut Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung dürfte die im Jahr 2019 vorhergesagte Halbierung der Mitgliederzahl bis 2060 bereits in den 2040er Jahren erreicht werden. 2022 waren erstmals nur noch weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglieder einer der beiden großen Kirchen. Besonders alarmierend ist auch das verlorengegangene Vertrauen der Menschen in die Kirchen: Nur 9 Prozent aller Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es immerhin 24 Prozent.
Als kleiner Lichtblick kann gewertet werden, dass es immer noch Erwartungen an die Kirchen gibt. Eine ganz große Mehrheit aller Befragten wünscht, dass die Kirchen soziale Beratungsstellen unterhalten, sich für Geflüchtete einsetzen und für mehr Klimaschutz. Interessant ist auch, dass das gesellschaftliche Engagement unter religiösen und kirchennahen Menschen deutlich höher ist als im Rest der Gesellschaft. 49 Prozent der Katholik:innen und 46 Prozent der Evangelischen, aber nur 33 Prozent der Konfessionslosen berichteten von ehrenamtlichen Tätigkeiten im vergangenen Jahr. Die Studie bescheinigt den Kirchen auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie.
Die Herausforderungen sind groß, nicht den Anschluss an den kulturellen Wandel zu verlieren und für die nachfolgende Generation attraktiv zu bleiben. Aber ich sehe keine Alternative, wenn die christlichen Kirchen nicht in der völligen Bedeutungslosigkeit versinken wollen.
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
Zuletzt geändert am 20.01.2024