KIRCHE IN Kolumne „Unzensiert“ Juli 2024
Damit Kirche relevant bleibt
Dreimal innerhalb weniger Tage hat Papst Franziskus im letzten Monat große und überwiegend positive Aufmerksamkeit in der medialen Weltöffentlichkeit erhalten. Das vorgestellte Studienpapier „Der Bischof von Rom“ mit den Ergebnissen jahrzehntelanger theologischer Dialoge enthält Vorschläge für einen ökumenischen Ehrenprimat des Papstes, die vielleicht zur Einheit der Christenheit beitragen könnten. Das Treffen von Franziskus mit mehr als 100 Comedy-Größen aus aller Welt im Vatikan würdigt deren Arbeit in düsteren Zeiten. Schließlich dann die erstmalige Teilnahme eines Papstes an einem G7-Gipfel, wo Franziskus‘ Grundsatzrede zur Künstlichen Intelligenz sehr aufmerksam wahrgenommen wurde. Respekt für dieses umfangreiche Programm eines 87-jährigen!
Das Wort des Papstes, besonders eines von Franziskus, gilt noch etwas in der Welt. Umso irritierender sind aber immer wieder manche innerkirchlichen Aussagen wie das jüngste „Nein“ bzw. „Noch nicht“ zur Diakoninnen-Weihe oder die nach wie vor skeptische Haltung von Papst Franziskus gegenüber dem Synodalen Weg in Deutschland. Das schadet seiner Glaubwürdigkeit. Drei Schritte vor und zwei zurück?
In Deutschland hat sich gezeigt, dass Kirche dann positive Aufmerksamkeit erhält, wenn sie sich glaubwürdig und vernünftig zu brennenden aktuellen Themen und Problemen äußert, wie sie dies vor der Europa-Wahl tat. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken aktualisierte im Januar 2024 sein Bekenntnis zur Demokratie: Menschenfeindlichkeit sei mit dem Christentum nicht vereinbar. Im Februar erklärten dann die deutschen Bischöfe mit seltener Einmütigkeit, dass völkischer Nationalismus und Christentum unvereinbar seien. Gut, dass Kirche sich jetzt zur Demokratie bekennt, auch wenn es intern noch an demokratischen Verfahren mangelt. Denn ohne diese Appelle wäre das Wahlergebnis für die demokratischen Parteien wohl noch schlechter ausgefallen.
Beim Katholikentag in diesem Frühjahr in Erfurt konnte man erleben, dass Kirche weiterhin relevant sein kann, auch in einem weniger religiösen Umfeld. Die Stadt Erfurt mit großer kirchlicher Tradition war ein wichtiger Ort, um zu erkennen, was den Menschen in Deutschland fehlen würde, wenn die römisch-katholische und auch die evangelische Kirche weiter an Glaubwürdigkeit verlieren würden. Dazu ist es jedoch unabdingbar, dass der jahrzehntelange Reformstau aufgelöst und eine Inkulturation in demokratische Gesellschaften stattfinden kann. Der Synodale Weg in Deutschland wie auch die Weltsynode in Rom müssen weitergehen und konkrete Ergebnisse bringen!
So wichtig die von Papst Franziskus vorgegebene Grundlinie der Evangelisierung ist: eine wirkliche Aufarbeitung sexualisierter und spiritueller Gewalt ist wesentliche Voraussetzung einer Evangelisierung! Das Evangelium nimmt Partei für die Entrechteten, Geschundenen und Verwundeten. Ohne diese Perspektive läuft jeder Versuch einer Evangelisierung ins Leere. Im Ringen um die Zukunft der Kirche sollten deshalb pastorale und strukturelle Fragen nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden!
Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de
Zuletzt geändert am 25.06.2024