22.9.2025 - KNA Aktuell
Reformgruppen enttäuscht: Papst Leo XIV. setzt auf Tradition
Klare Kante: Papst Leo XIV. stellt in einem Interview Weichen gegen Reformen. Zwischen Kontinuität, Kritik und vorsichtigem
Lob fallen die Bewertungen aus Deutschland unterschiedlich aus.
Von Benedikt Heider und Lisa Maria Plesker (KNA)
Bonn (KNA) Fast wie ein Regierungsprogramm liest sich das
am Donnerstag veröentlichte Interview, das Papst Leo XIV.
einer US-Journalistin gegeben hat. Dabei lieÿ er auch die Hei-
ÿen Eisen, die die katholische Kirche weltweit bewegen, wie
Sexualität und die Rolle der Frau, nicht aus.
Das im Mai gewählte Kirchenoberhaupt erklärte, dass es
mit ihm keine Änderungen der kirchlichen Lehre zur Sexualmoral
oder die Weihe von Frauen geben werde. Segensfeiern
für gleichgeschlechtliche Paare lehnt er ab; lediglich nichtritualisierte
persönliche Segnungen hält er für möglich. Im
Zentrum seiner Aussagen stand die Stärkung der traditionellen
Familie.
Das erste groÿe Interview des neuen Papstes stieÿ auf Kritik
von Reformgruppen und liberalen Katholiken in Deutschland,
die zuletzt beim Projekt Synodaler Weg genau an
diesen Themen arbeiteten. Enttäuscht zeigte sich vor allem
die Bewegung Wir sind Kirche. Sie warf dem neuen Papst
vor, die traditionelle Familie zu verklären und die Bedeutung
der Sexualmoral zu überhöhen. Das führe zu Ausgrenzung,
auch wenn Papst Leo betone, die Kirche sei für alle oen.
Queere Katholiken in Deutschland reagierten mit Kritik.
Ein Sprecher der Initiative Out in Church sagte der Katholischen
Nachrichten-Agentur (KNA): Sofern sich die katholische
Sexuallehre nicht ändert, sind nicht heterosexuelle Menschen
oder Menschen, die nicht dem binären Geschlechtermodell
entsprechen, in dieser Kirche nicht willkommen. Zudem
sei es falsch, wenn der Papst behaupte, Menschen hätten sich
bewusst für ihre sexuelle Orientierung entschieden. Trotz Entt
äuschung wolle man nicht aufgeben: Wir werden die Kirche
nicht den konservativen oder gar rückwärtsgewandten Kräften
überlassen.
Während deutsche LGBTQ-Aktivisten enttäuscht sind,
sieht der US-Jesuit James Martin auch positive Aspekte. Der
weltweit vernetzte LGBTQ-Seelsorger hob hervor, dass Leo
© PubliKath GmbH https://www.kna.de
KNA aktuell, 22. September 2025 INLAND 5 / 70
XIV. den Begri LGBTQ überhaupt benutze, sei für Kirchenvertreter
schon ein Fortschritt. Auch fordere der Papst
Respekt und Begegnung, was langfristig Veränderungen in
der Kirche möglich machen könnte. So sieht Martin Leo XIV.
in einer Linie mit seinem Vorgänger. - Die englische Abkürzung
LGBTQ steht vor allem für nicht-heterosexuelle Menschen,
die sich etwa als lesbisch, schwul oder queer identi-
zieren.
Auch der Passauer Bischof Stefan Oster sieht Leos Interview
in Kontinuität zu Franziskus: Ausnahmslos jeder
Mensch ist geliebtes Kind Gottes - und es ist unsere Aufgabe,
diese Botschaft auch im Umgang mit jedem Menschen
deutlich zu machen, sagte Oster, der sich am Freitag als
erster deutscher Bischof zu dem Interview äuÿerte. Und dass
auch die Lehre zu Ehe und Familie gültig bleibe wie bisher,
habe auch Franziskus mehr als einmal betont. Dasselbe gelte
für die Frage nach der Zulassung zum Diakonen- und Priesteramt.
Thomas Söding, Vizepräsident des Zentralkomitees der
deutschen Katholiken (ZdK) rät von Alarmismus ab. Auch
unter Leo XIV. wird es Reformen geben, sagte er der
KNA; allerdings weniger disruptiv als bei Franziskus. Das
brauche aber nicht schlechter zu sein. Leo XIV. sei als Mann
des Ausgleichs zum Papst gewählt worden; doch auf Dauer
reiche das nicht: Er dürfe die Reformkräfte nicht verlieren und
müsse jene in Schwung bringen, die auf überholten Überzeugungen
beharren, erklärte Söding. Das sei ihm zuzutrauen,
besonders beim Thema nachhaltige Synodalität.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)
relativierte das Papst-Interview als Moment-Aussage und
zeigte sich kämpferisch. Die Vize-Bundesvorsitzende Ulrike
Göken-Huismann sagte: Wir sind der festen Überzeugung,
dass eine wirkliche Erneuerung der Kirche Jesu Christi nur
gelingt, wenn Frauen alle Dienste und Ämter in der Kirche
oenstehen.
Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)
setzt auf eine Fortsetzung des Reformprozesses. Viele
Gläubige erwarteten, dass die Kirche Antworten auf Fragen
nach Gleichberechtigung und Anerkennung von Vielfalt sowie
Machtverteilung gebe, sagte der BDKJ-Bundesvorsitzende
Volker Andres der KNA. Wenn diese Erwartungen nicht aufgenommen
würden, wachse die Gefahr, dass sich Menschen
enttäuscht und entfremdet von der Kirche abwenden.
Nach Meinung des Münsteraner Kirchenrechtlers Thomas
Schüller sind viele der Beschlüsse des Synodalen Weges
nach den Aussagen des Papstes Makulatur. Der KNA sagte
Schüller, in Fragen wie Sexualmoral, Segnung homosexueller
Paare oder der Weihe von Frauen werde es keine signi-
kanten Änderungen der katholischen Lehre geben. Frauen
hätten für ihn nur den Platz, den ihnen Papst Leo als Platzanweiser
und Mann zuweist. Der Wiener Dogmatiker Jan-
Heiner Tück sprach von einem pontikalen Reformdämpfer.
Leo setze zwar die Willkommenskultur seines
Zuletzt geändert am 22.09.2025