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Veröffentlicht am 15­.10.2007

15.10.2007 - Stuttgarter Zeitung

Geld anlegen zur Ehre Gottes

Der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann wirbt für ein Wertpapier der LBBW

Der Hohe Dom zu Mainz ist eine ewige Baustelle. Rund 25 Millionen Euro kostet die Generalsanierung. Einen Teil des Geldes soll jetzt eine Dom-Anleihe einbringen. Dahinter verbirgt sich vor allem eines: eine Marketingaktion der LBBW.

Von Bernd Kramer

Bischof Willigis hatte einst Großes vor. Ein Gotteshaus sollte entstehen, in das alle Gläubigen gleichzeitig Platz finden konnten. Mehr als das: Einen Staatsdom wollte der Geistliche, den vor allem politische Erwägungen umtrieben. Ein solch gewaltiges Gotteshaus würde Mainz das Krönungsrecht sichern für die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches. Das ging ins Geld. Und auch heute noch verschlingt der Erhalt wertvoller Baudenkmäler Jahr für Jahr hohe Summen, nicht nur im Bistum Mainz.

Alle 30 Jahre sei eine Generalsanierung fällig, rechnet der Mainzer Domdekan Heinz Heckwolf vor. Die jüngste wurde 2001 begonnen und dürfte über einen Zeitraum von etwa 15 Jahre mit insgesamt 25 Millionen Euro zu Buche schlagen. Um einen Teil der Kosten aufzubringen, wurde 1999 ein Förderverein gegründet und vor drei Jahren eine Dom-Stiftung. Der Stiftung gehören neben dem Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann illustre Personen wie ZDF-Intendant Markus Schächter und Moderator Johannes B. Kerner an sowie - passenderweise - der Chef der rheinland-pfälzischen Landesbank, Friedhelm Plogmann. So erklärt sich wohl auch die neuste Idee, um das Stiftungsvermögen zu mehren: Seit dem 10. Oktober ist bei verschiedenen Banken und Sparkassen in und um Mainz eine Dom-Anleihe erhältlich.

Konzipiert hat das Wertpapier die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), das Mutterhaus der Mainzer Landesbank. "Jede Idee ist gut, die dem Dom hilft", freut sich Domdekan Heckwolf. Sein Chef, Kardinal Lehmann, gibt dem Papier höchstselbst den Segen: "Mit dieser Anleihe ist die Chance auf eine attraktive Rendite gegeben", schreibt Lehmann im Werbeflyer für das Finanzprodukt.

Eine Anleihe kostet 1000 Euro. Doch anders als man zunächst erwarten könnte, wird davon kein Cent in das Gotteshaus investiert. Dessen Sanierung würde wohl ohnehin keine Rendite abwerfen, schließlich ist eine Kirche keine Fabrik, mit der sich Gewinne erwirtschaften ließen. Allein die Vermittlungsgebühr von zehn Euro pro Anleihe geht als Spende an die Dom-Stiftung statt an die Bank. Prozentual gesehen ist das gar nicht mal viel: Bei anderen Verkaufsaktionen wie der einer Weinhandlung lag der Spendenanteil deutlich höher. "Der Name Dom-Anleihe ist natürlich verwirrend", meint Jürgen Kurz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Allerdings findet er die Produkterklärung hinreichend deutlich. Aber klar: "Die Bezeichnung ist Marketing." Das räumt auch eine LBBW-Sprecherin ein. Erfahrung mit solchen gemeinnützig klingenden Finanzprodukten hat die Landesbank bereits: Zur Fußball-WM im vergangenen Jahr gab die LBBW eine "Topkicker-Anleihe" heraus. Zehn Euro pro Papier flossen in Nachwuchsarbeit der Fußballvereine. Die Anleihe selbst hatte mit Sport wenig zu tun. Auch nach Fußballclubs benannte Finanzprodukte haben manche Geldinstitute in ihr Sortiment aufgenommen - in der Hoffnung, aus treuen Fans damit treue Bankkunden zu machen.

Hinter der von Kardinal Lehmann empfohlenen Anleihe verbirgt sich ein kompliziertes Wettgeschäft. Kunde und Bank spekulieren darauf, wie sich das Verhältnis des Aktienindexes Dax zum so genannten Dividendenindex DivDax entwickelt. Die Wette geht maximal fünf Jahre. Hat sich nach dem ersten Jahr der Dividendenindex genauso gut oder sogar besser als der Dax entwickelt, zahlt die Bank dem Kunden die Anleihe mit zehn Prozent Zinsen zurück. Andernfalls kann das Kreditinstitut eine weitere Periode mit dem Geld wirtschaften. Tritt nach dem zweiten Jahr der Rückzahlungsfall ein, bekommt der Kunde 120 Prozent zurück, tritt der Fall erst im dritten Jahr ein, bekommt er 130 Prozent und so weiter. Im besten Fall sind es 150 Prozent. Hat sich nach fünf Jahren der Dividendenindex immer noch nicht besser als der Dax entwickelt, erhält der Kunde nur den Einsatz ausgezahlt. Dass auf das Verhältnis von Dax und DivDax gewettet wird, sagt übrigens gar nichts darüber, wo die LBBW das geliehene Geld tatsächlich investiert.

Für Bischof und Bank liegen die Vorteile des Papiers auf der Hand. Das eingesetzte Kapital sei zu 100 Prozent geschützt, schreibt Kardinal Lehmann im Flyer. Außerdem habe der Kunde die Chance auf einen attraktiven Bonus. Auch Jürgen Kurz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz findet das Produkt grundsätzlich in Ordnung. Allerdings schränkt er ein, dass man mit der Anlage im schlimmsten Fall Renditen verschenkt, die man anderswo in der Zeit hätte bekommen können. Als "ordentliches Angebot" bezeichnen die Experten von Finanztest die Dom-Anleihe. Dass ein hoher Kardinal dem seinen Segen gibt, sei kurios, aber wohl mit der regionalspezifischen Ungezwungenheit der Kirche zu erklären. "Wir tun das als rheinischen Katholizismus ab", witzelt Finanztest-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen.

Kritische Katholiken melden hingegen Bedenken an. "Die Verknüpfung von rein wirtschaftlichen Interessen der Banken mit dem sicher nötigen Bemühen um den baulichen Erhalt des Doms wirft doch erhebliche Fragen auf", sagt Christian Weisner von der katholischen Reformbewegung "Wir sind Kirche". Wenn der Kardinal schon seinen kirchlichen Segen gibt, wäre er besser beraten gewesen, wenigstens eine ethisch-orientierte Geldanlage zu wählen, findet Weisner.

Was eine Geldanlage ist, für die sich Christen guten Gewissens entscheiden können, hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken vor einigen Wochen zu klären versucht. "Handreichung für private und kirchliche Anleger", heißt der umfangreiche Kodex. Galt das auch für die Dom-Anleihe? Die LBBW-Experten fragen nur verdutzt: Katholische Anlageleitlinien? Nie gehört.

Zuletzt geändert am 15­.10.2007