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Veröffentlicht am 10­.10.2007

10.10.2007 - Süddeutsche Zeitung

Kollektives Wegsehen

Riekofener Pfarrer ignorierte Bewährungsauflagen

Wie der Pfarrer Peter K. in der Öffentlichkeit wirkte, wurde im Ordinariat des Bistums Regensburg durchaus interessiert zur Kenntnis genommen. Aus dem Januar 2005 ist ein Schreiben der Diözesanleitung überliefert, in dem K. wegen kritischer Äußerungen in der Donaupost ermahnt wird. Es ging um den Bau des Pfarrhauses von Riekofen, den nach K.s Worten die Bischöfliche Finanzkammer hinauszögere. Im Grunde ein belangloser Artikel. Aber die Bistumsleitung hob den Zeigefinger: Eine solche Darstellung „fördert nicht die künftige Zusammenarbeit”.

Vier Jahre zuvor hatten die Verantwortlichen im Ordinariat über die Berichte aus der Pfarrei Riekofen geflissentlich hinweggeblättert. Abgebildet war Peter K. zum Beispiel im Mai 2001 im Kreise der Erstkommunionkinder. Da hätten im Ordinariat die Alarmglocken schrillen müssen. Denn K. war wegen pädophiler Übergriffe zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Die dreijährige Bewährung lief da noch nicht einmal ein Jahr. Eine Bewährungsauflage lautete, er dürfe „nicht in der Jugendseelsorge/-arbeit tätig” sein. Die Riekofener wussten davon nichts. Und der Diözesanleitung ist der gute Ruf der Finanzkammer offenbar wichtiger gewesen als das Heil der Kinder. Man ließ K. gewähren. Der heute 39 Jahre alte Pfarrer sitzt nun in Untersuchungshaft, weil er sich in Riekofen erneut an Buben vergangen haben soll.

Aus der Pfarrei ist zu hören, dass K. schon während seiner Bewährungszeit, in der er offiziell als Altenheim-Seelsorger im nahen Sünching wirkte, „wie ein normaler Pfarrer bei uns gearbeitet hat”. Er habe Kinder auf die Erstkommunion vorbereitet, Erstbeichte inklusive. Er habe Firmlinge betreut. Er habe Ministrantenproben abgehalten und im Oktober 2001 sogar einen Ausflug mit den jungen Messdienern unternommen. Die Riekofener waren froh um ihn, denn ihr alter Pfarrer war kurz zuvor gestorben, und sie kannten nichts von K.s Vorgeschichte. All diese Verstöße gegen die Bewährungsauflagen wurden von der Kirche offenbar stillschweigend hingenommen.

Dabei müsste das Ordinariat über Peter K.s Tätigkeiten nicht nur durch Berichte in der Donaupost informiert gewesen sein, sondern auch durch die Briefe der Riekofener. Sie wandten sich an die Bistumsleitung und lobten den Aushilfspfarrer. Die Korrespondenz liegt inzwischen zur Auswertung bei der Kriminalpolizei in Regensburg. Allerdings kontrollierte auch die Justiz nicht, ob sich K. an die Auflagen aus dem Strafbefehl hielt. Ein Bewährungshelfer war ihm laut Urteil des Amtsgerichts Viechtach nicht zugeteilt. Diese Maßnahme werde nur bei Tätern mit massiven sozialen Problemen wie etwa bei Alkoholikern ergriffen, sagt Andreas Quentin, Sprecher des Oberlandesgerichts Nürnberg. Wenn sich herausstelle, dass der Pfarrer gegen die Bewährungsauflagen verstoßen habe, spiele das im Fall einer Verurteilung eine erhebliche Rolle bei der Strafzuteilung.

Beschwerde beim Vatikan

Die Riekofener fühlen sich vom Ordinariat „immer mehr verschaukelt”, wie ein engagierter Laie aus der Pfarrei sagt. Zumal sich der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller immer noch weigert, eine Mitschuld an der Einsetzung des vorbelasteten Pfarrers einzugestehen. Außerdem hat er den Vertretern aus Riekofen vorgeworfen, dass sie ihrem Ärger in der Öffentlichkeit Luft machten. Müller vermutet, dass dahinter die ihm äußerst kritisch begegnende Laienorganisation „Wir sind Kirche” steckt, was die Riekofener allerdings als Unsinn abtun. Angeblich erwägen einige Riekofener Katholiken, sich beim Vatikan zu beschweren.

„Es wird höchste Zeit für Klartext”, sagt Johannes Heibel, Leiter der deutschlandweit fungierenden Initiative gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Pfarrer K. sei schon bei seinem ersten aktenkundig gewordenen Übergriff mit großer krimineller Energie vorgegangen, indem er sich ausgerechnet Opfer aus einer arg gebeutelten Familie ausgesucht habe. Vater und Großvater der beiden missbrauchten Buben seien zum Zeitpunkt der Taten im Jahr 1999 sehr krank gewesen. „Diese Kinder waren besonders wehrlos.”

Das Ordinariat in Regensburg weist weiterhin jede Schuld von sich. Es erklärt, K. habe keinen Auftrag gehabt, während seiner Bewährungszeit in Riekofen „Aushilfseinsätze in der Gemeinde- und Ministrantenarbeit” zu übernehmen. Die Bischöfliche Pressestelle rückt inzwischen die Bistumsleitung in die Opferrolle: „Seit Wochen läuft eine Kampagne, die die Glaubwürdigkeit des Bistums in Bezug auf die Wiedereinsetzung von Peter K. infrage stellen soll.” Tatsächlich erlebt das 1267 Jahre alte Bistum eine sehr schwere Glaubwürdigkeitskrise. Rudolf Neumaier

Zuletzt geändert am 17­.10.2007