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Veröffentlicht am 24­.10.2007

24.10.2007 - Financial Times Deutschland

Propagandafrau und Oberfundi

Im Streit um die Rolle der Frau greifen sich Claudia Roth und Bischof Walter Mixa gegenseitig scharf an. Dabei sind die kommunikativen Voraussetzungen für Claudia Roth und Walter Mixa eigentlich nicht schlecht.

Die Grünen-Chefin und der katholische Bischof könnten sich gut verstehen. Doch beim aktuellen Konflikt um die Familienpolitik und die Rolle der Frau kann davon nicht die Rede sein.

Erst sagte Roth über Mixa, dass er ein "durchgeknallter, spalterischer Oberfundi" sei. Der antwortete über einen Sprecher, dass Claudia Roths Attacke "faschistoide Züge" trage und dass ihre Wortwahl an die Propagandahetze der Nationalsozialisten gegen die katholische Kirche erinnere. Außerdem seien die Grünen für Christenmenschen ohnehin gar nicht wählbar. Im Anschluss bedauerte der Öffentlichkeitsreferent des Augsburger Bistums die Schärfe seiner Worte. Seine Kritik sei zunächst schärfer ausgefallen "als bei näherem Hinsehen nötig", sagte Voß am Mittwoch in einer Mitteilung. Dies räume er im Sinne "beiderseitiger verbaler Abrüstung" ein."

Engagierten Politikerinnen ist der Augsburger Bischof kein Unbekannter: Bereits Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen machte schlechte Erfahrungen mit dem streitbaren Bischof. Ihr warf Mixa Anfang des Jahres vor, Mütter in Deutschland zu Gebärmaschinen degradieren zu wollen, weil sie die Zahl der Kindertagesstätten anheben wollte. Nun streitet er mit den Grünen.

Warum gehen ausgerechnet die Grünen und die katholische Kirche aufeinander los? "Für Claudia Roth ist der Bischof der Inbegriff dessen, wie die katholische Kirche versucht, eine moderne Familienpolitik zu blockieren", erklärt Theresa Schopper, bayerische Landesvorsitzende der Grünen, den Konflikt. Und gegen das Familienbild des Bischofs müssten die Grünen deutlich Stellung beziehen. "Die Worte von Claudia Roth waren zwar sehr drastisch, doch im Grunde genommen geht es um zwei unvereinbare Lebensmodelle und Ideologien", sagt Ekin Deligöz, familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Das bestätigt auch Jürgen Falter, Parteienforscher von der Universität Mainz: "Das offene und liberale Familienbild der Grünen muss mit dem geschlossenen Familienbild der katholischen Kirche kollidieren", sagt der Wissenschaftler. Dabei sei der Bischof für Claudia Roth ein "leichtes Opfer" gewesen, sagt Falters Kollegin Melanie Haas von der FU Berlin. Zudem habe der Streit einen klaren Nutzen: Nichts schweiße Menschen mehr zusammen als ein gemeinsamer Gegner.

Ein ähnliches Dilemma

Die Grünen scheinen diesen gemeinsamen Feind wirklich nötig zu haben. "Es ist ein massives Problem der Grünen, dass momentan niemand auf sie hört und sie im politischen Windschatten der anderen Parteien segeln müssen", sagt Falter. Die Klimapolitik sei den Grünen von der Bundeskanzlerin weggenommen worden, sozialpolitisch achte jeder nur noch auf die Parteien der Großen Koalition, und gesellschaftspolitisch hätten die Grünen schon heute fast alles erreicht. "Um die Agenda-Setting-Fähigkeit der Grünen ist es momentan nicht zum Besten bestellt", bestätigt Haas.

Die katholische Kirche steckt in einem ähnlichen Dilemma: "Statt den Menschen Hoffnung zu geben, stellt sich die Amtskirche leider zu oft nur die Frage: Wie kann man die Organisation noch zusammenhalten?", sagt Christian Weisner von der katholischen Laienbewegung "Wir sind Kirche". Die Äußerungen von Bischof Mixa seien durchaus gewollt. Es gebe leider Bischöfe in Deutschland, die glaubten, dass sie nur gehört würden, wenn sie lautstark auf sich aufmerksam machten. Obwohl viele in den vergangenen Tagen sowohl Roth als auch Mixa aufgefordert haben, sich gegenseitig zu entschuldigen, wird das mit den beiden wohl nichts mehr werden. Ein weiteres, vielleicht entscheidendes Hindernis gibt Theresa Schopper zu bedenken: "Ich gehe nicht davon aus, dass sie sich mögen."

Autor: Henning Jess

Zuletzt geändert am 24­.10.2007