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Veröffentlicht am 29­.10.2007

29.10.2007 - Deutschlandfunk Interview

"Das ist alles kein guter Weg"

Kritik an Wortgefecht zwischen Politikern und Kirchenvertretern

Moderation: Stefan Heinlein

Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" kritisiert den Schlagabtausch zwischen Grünen-Politikern und katholischen Geistlichen. "Ich glaube, dass jetzt alle Seiten einfach zu tief in die Schlagwortkiste gegriffen haben", sagte Weisner. Das sei kein guter Weg.

Stefan Heinlein: Die Grünen und die Katholische Kirche, ein derzeit schwieriges Verhältnis. Der Ton ist scharf. Wurde der Streit zwischen Claudia Roth und dem Augsburger Bischof Mixa schon unter der Gürtellinie geführt, legt jetzt Volker Beck noch einmal nach. Der Kölner Kardinal Meisner sei ein Hassprediger, so der Bundestagsabgeordnete gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Das Erzbistum kontert und prüft nun rechtliche Schritte. Am Telefon nun Christian Weisner von der Initiative "Wir sind Kirche". Guten Tag, Herr Weisner!

Christian Weisner: Ja, guten Tag!

Heinlein: Übertrieben in der Wortwahl, aber hat Volker Beck in der Sache Recht? Ist Kardinal Meisner ein katholischer Fundamentalist?

Weisner: Ich denke, es könnte Sommer sein, oder es könnte Wahlkampf sein. Ich glaube, dass jetzt alle Seiten einfach zu tief in die Schlagwortkiste gegriffen haben. Das ist wirklich die Frage, warum im Augenblick so ein Streit letztlich zwischen Kirche und Staat hervorgerufen wird. Die Parteien sollen der politischen Willensbildung dienen. Die Kirchen haben sicher die Aufgabe der Wertebildung. Aber wenn man jetzt nur mit Schlagworten um sich schlägt, bei der Kirche könnte man ja vermuten, dass vielleicht die Bischöfe nicht mehr so von der Kanzel gehört werden und deswegen das jetzt in Talkshows über die Medien machen. Das ist alles kein guter Weg.

Heinlein: Haben Sie denn Verständnis, dass der bekennende homosexuelle Volker Beck besonders erzürnt reagiert, wenn Meisner jetzt homosexuelle Partnerschaften als im Kern verderblich beschreibt?

Weisner: Ja, das kann ich schon nachempfinden, also immer abgesehen von der Wortwahl, wie das gemacht ist. Das liegt natürlich daran, dass die Katholische Kirche mit dem Thema Sexualität insgesamt, aber auch mit dem Thema Homosexualität im Besonderen ein ganz, ganz großes Problem hat. Sie hat vielleicht auch deswegen ein großes Problem, weil gerade so viele ihrer Amtsträger selber damit ein Problem haben, und es gibt ja ganz ernst zu nehmende Untersuchungen, dass auch viele zölibatäre Männer und auch Ordensfrauen dann vielleicht in dem Sinne homosexuell sind. Da wird vielleicht etwas bekämpft, was in der eigenen Person liegt. Es ist wirklich schade, dass gerade die Römisch-Katholische Kirche es nicht geschafft hat, jetzt die Erkenntnisse der Humanwissenschaften mit aufzunehmen, denn ich meine, nur indem man das verteufelt, Homosexualität, entweder man hat es oder man hat es nicht. Es ist doch gerade gut, dass die Homosexuellen auch in Verantwortung Lebenspartnerschaften führen, und das ist ja das, was der Kardinal Meisner so angegriffen hat.

Heinlein: Macht sich der Kardinal mit seinen Äußerungen gerade in Sachen Homosexualität. oder denken wir an seine Äußerungen zur entarteten Kunst, besonders angreifbar für diese Verbalattacken von Seiten der Politik?

Weisner: Ja. Ich denke, die Katholische Kirche ist da groß in der Gefahr, dass sie wirklich nur noch als Moralapostel wahrgenommen wird. Mich selber erinnert das ein bisschen an die Diskussion in den 80er Jahren. Da hieß es vom Vorgänger von Kardinal Meisner, das war der Kardinal Höffner, der hatte gesagt, das Tischtuch zwischen den Grünen und der Katholischen Kirche ist zerschnitten. Damals ging es um die Abtreibungsfrage. Dann ist es mühsam über die Jahre doch wieder dieses Tischtuch zusammengenäht worden zum Beispiel in der Person von Christa Nickels, die ja auch im Zentralkomitee der Katholiken dann für die Grünen gewesen ist. Ich denke, die Politiker wie die katholischen Bischöfe wären gut beraten, einmal ohne Medien, ohne Zeitungen miteinander ins Gespräch zu kommen, denn dann würde man vielleicht merken, dass man doch sehr viele gemeinsame Werte hat, gerade die Werte des konziliaren Prozesses, dieses kirchlichen Prozesses, nämlich die Werte von Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Ich denke da sind viele, viele Gemeinsamkeiten. Das würde ich anraten, anstatt sich immer nur über die Zeitungen und über das Fernsehen zu unterhalten.

Heinlein: Glauben Sie, dass Kardinal Meisner bereit ist und willens für einen direkten Dialog mit seinen Kritikern?

Weisner: Ich denke das müssen sie sein, denn das Bischofsamt ist natürlich einerseits dazu da, die Lehre der Kirche zu verkünden, was ja auch der Pressesprecher gesagt hat, aber andererseits ist das Bischofsamt auch immer ein Amt der Einheit. Hier könnte man den Papst Benedikt zitieren, der sich ja so sehr für Glaube und Vernunft einsetzt. Das heißt also, auch die guten Argumente müssen zu Wort kommen.

Ich habe da noch einen ganz anderen Verdacht: Im Augenblick finden sich gerade im Erzbistum Köln ganz dramatische Umstrukturierungsprozesse. Der Priestermangel ist ja überall in Deutschland, in der ganzen Welt noch viel mehr, aber eben auch im Erzbistum Köln eklatant. Jetzt gibt es im Augenblick dramatische Umstrukturierungsprozesse. Es werden Gemeinden zusammengelegt, zusammengelegt, zusammengelegt. Es werden auch die gemeindlichen Gremien, also Kirchenvorstände, Pfarrgemeinde, zusammengelegt. Das ist ein Prozess, den man auch als Entdemokratisierung bezeichnen könnte. Möglicherweise, das ist jetzt also nur ein Verdacht von mir, ich möchte ihn nicht beschuldigen, aber möglicherweise wird dort abgelenkt mit diesen Diskussionen von diesen Prozessen, die die Kirche selber angehen.

Heinlein: Ist denn Kardinal Meisner aus Ihrer Sicht repräsentativ für die vorherrschende Meinung in der katholischen Amtskirche, oder ist man weithin liberaler als der Kölner Kardinal?

Weisner: Also der ist es ganz sicher nicht, und das ist ja auch das Gute, will ich mal so sagen, dass jetzt ich als Vertreter der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" einmal hier zu Wort komme. Die Bischöfe sind ja selber nicht nur Kirche. Es wird ja "Wir sind Kirche" vorgeworfen, dass wir diesen Anspruch haben, aber allein die Bischöfe sind halt auch nicht Kirche. Es gibt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, es gibt die katholischen Verbände, es gibt viele Laien, und es gibt vor allen Dingen auch andere Bischöfe, die sehr viel anders denken. Es wäre gut, wenn die mal bei Kardinal Meisner anrufen würden, ihm mal auf die Schulter klopfen würden und sagen, nur mit Schlagworten, wir haben mehr zu bieten.

Heinlein: Sollte der Papst dem Kardinal auch einmal auf die Schulter klopfen? Wird es Zeit für ein Machtwort aus dem Vatikan?

Weisner: Das wäre vielleicht manchmal ganz gut. Der Papst hätte ja die Gelegenheit gehabt, als er beim Weltjugendtag im Hause des Kölner Erzbischofs und Kardinals übernachtet hat. Das wäre sicher manchmal ganz gut, und es gibt ja noch andere Konfliktfälle. Ich will nur sagen beim Konfliktfall des sexuellen Missbrauchs würde man sich wünschen, und da hat ja auch der Vatikan eigentlich die Autorität und die Verfahren an sich gerissen, dass er dort Bischöfe, die damit ein Problem haben, wirklich ermahnen würde, dieses Problem ernst zu nehmen. Also man sieht: Es gibt einen ganzen bunten Strauß von Problemen innerhalb der Katholischen Kirche. Da ist wirklich zu fragen, warum die Katholische Kirche oder einzelne Vertreter, will ich sagen, diesen Streit mit der Gesellschaft, mit der Politik wünschen. Das ist wirklich eine große Frage.

Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag war das Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

Weisner: Auf Wiederhören.

Zuletzt geändert am 04­.11.2007