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Veröffentlicht am 15­.01.2008

15. Januar 2008 - n-tv/dpa

Ende der Seligkeit. Wer ersetzt Lehmann?

Er hinterlässt ganz große Schuhe. Kardinal Karl Lehmann hat das wichtigste Amt der katholischen Kirche in Deutschland zwei Jahrzehnte lang als Mann des Ausgleichs und Theologe mit herausragender analytischer Schärfe geprägt. Er sei "ein Segen" für alle Christen - so lautet eine Würdigung aus der Evangelischen Kirche. Die Nachricht, dass Lehmann aus gesundheitlichen Gründen als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zurücktritt, löste in Kirchenkreisen vor allem Spekulationen über die Nachfolge des 71-Jährigen aus.

Immer wieder ist der gerade frisch ernannte Münchner Erzbischof Reinhard Marx (54) im Gespräch für den steilen Aufstieg in der Kirchenhierarchie - dies würde einem von Lehmann selbst erwähnten Generationenwechsel entsprechen. Allerdings halten Kirchenkenner auch eine Übergangslösung für nur eine Amtszeit von sechs Jahren mit einem schon älteren Bischof für denkbar.

Unergründliche Wege des Herrn

Die Nachfolge-Suche kann insgesamt noch als offen gelten. Zumal die Bischofskonferenz auch für Überraschungen gut ist. Gerade dies hatte 1987 die Wahl von Lehmann die Spitze des Oberhirten-Gremiums gezeigt: Er war damals als bislang jüngster Amtsträger überraschend gewählt worden und hatte fast wie aus heiterem Himmel Kardinal Friedrich Wetter aus München aus dem Rennen geschlagen. Offiziell wird auch immer betont, dass es vor den Wahlen zum Vorsitz keine Kandidatenaufstellung und keine Aussprache gebe.

Schäfchen zusammengehalten

Als oberster Repräsentant von 26 Millionen Katholiken füllte Lehmann das Amt weltoffen, volksnah, humorvoll, mit einem gemäßigten Kurs und als Streiter für die Ökumene aus. "Er kann mit dem Bundespräsidenten genauso gut reden wie dem Nachbarn vom Dorf", sagt Ulrich Ruh, der in den 70er Jahren Assistent von Lehmann war und nun Chefredakteur der in Freiburg erscheinenden Kirchen-Zeitschrift "Herderkorrespondenz" ist. Lehmanns Verhältnis zum Vatikan galt dagegen durchaus als schwierig. Zäh hatte er vor Jahren um den Verbleib der katholischen Kirche im staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung gerungen und sich damit am Ende erfolglos gegen den Papst gestellt.

Marx muss sich noch bis Februar gedulden.Aus Sicht der Reformbewegung "Wir sind Kirche", die die katholische Kirche immer wieder attackiert, darf ein Vorsitzender der Bischofskonferenz keinesfalls polarisieren wie etwa der Kölner Kardinal Joachim Meisner oder auch der Augsburger Bischof Walter Mixa. Kardinal Lehmann hat immer daran gearbeitet, Laien und Klerus zusammenzuführen. Der frühere Trierer Oberhirte und neue Erzbischof von München und Freising, Bischof Marx, gelte dagegen als "lauter Lautsprecher" und fahre eine harte Linie, kritisierte der Sprecher von "Wir sind Kirche", Christian Weisner.

Übergangslösung nicht ausgeschlossen

Der Theologe und Kirchenexperte Ruh hält die Wahl von Erzbischof Marx - ein redegewandter Kirchenmann und profilierter Sozialethiker - für eher unwahrscheinlich. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn wählen, weil er noch nicht mal richtig in München angekommen ist", sagt Ruh. Marx tritt sein Amt dort am 2. Februar an - gewählt wird ein Nachfolger Lehmanns dann bei der Frühjahrs-Vollversammlung vom 11. bis 14. Februar in Würzburg.

In Kirchenkreisen sind in der Nachfolge-Debatte aber auch die Namen des Freiburger Erzbischofs, Robert Zollitsch, und des Erzbischofs von Hamburg, Werner Thissen, zu hören. Andere bringen die Variante ins Spiel, dass Lehmanns Stellvertreter, der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, die Nachfolge antreten können. Die älteren Oberhirten, die auf die 70 zugehen, könnten aus Sicht von profunden Kirchenkennern als "Übergangskandidaten" für eine Amtsperiode in Frage kommen und den Generationenwechsel doch noch um einige Jahre nach hinten rücken.

Von Monika Wendel, dpa

Zuletzt geändert am 15­.01.2008