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Veröffentlicht am 27­.01.2008

27.1.2008 - n-tv

Gottesmann für Sozialfragen. Bischof Marx setzt Akzente

Schon vor seinem Amtsantritt setzt der neue Münchner Erzbischof Reinhard Marx deutliche Akzente. Beim Gottesdienst zu seiner Amtseinführung am 2. Februar in der Frauenkirche soll die Kollekte der Resozialisierung jugendlicher Straftäter zugute kommen. Der Nachfolger von Kardinal Friedrich Wetter an der Spitze des Erzbistums München und Freising wolle damit bewusstmachen, dass junge Straftäter nicht stigmatisiert werden dürften, sondern Hilfe bräuchten, heißt es in Kirchenkreisen.

Der 54-Jährige setzt damit einen Kontrapunkt in der aufgeheizten Debatte über Jugendkriminalität, die der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch vor der Landtagswahl losgetreten hatte. Mit großer Spannung wird nun erwartet, ob Marx - bisher Bischof von Trier - in seiner Antrittspredigt bereits programmatische Eckpfeiler einschlagen wird.

Favorit für Spitzenamt

Mit dem Amt des Erzbischofs übernimmt der 54-Jährige auch die Leitung der Freisinger Bischofskonferenz und damit den Vorsitz der katholischen Oberhirten in Bayern. Der Kardinalshut dürfte ihm ebenfalls bald winken. Und sogar für noch höhere Weihen wird Marx schon gehandelt: Er gilt - neben dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch - als heißer Favorit für die Nachfolge des Mainzer Kardinals Karl Lehmann im Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz. Lehmann gibt das Spitzenamt aus gesundheitlichen Gründen ab. Der Nachfolger wird bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (11. bis 14. Februar) im Würzburger Kloster Himmelspforten gewählt. Marx antwortet ausweichend auf Nachfragen.

In Glaubensfragen kennt er keinen Spaß. Wenn Marx dieses Amt von Lehmann übernehmen wolle, habe er beste Chancen, heißt es in Kirchenkreisen. Als sicher gilt, dass die Lehmann-Nachfolge bei Marx' Rom-Reise an diesem Montag und Dienstag (28. und 29. Januar) eines der Gesprächsthemen mit Papst Benedikt XVI. sein wird. Und es könnte dem Kirchenoberhaupt durchaus gefallen, wenn der Lehmann-Nachfolger aus seinem eigenen Heimatbistum München-Freising käme - zumal Marx als absolut Rom-treuer, strikt konservativer Kirchenmann gilt. In Glaubensfragen mag er keine Schwammigkeit, sondern steht für eine im Zweifel harte Linie.

Mediengewandt und konservativ

Das bewies Marx, als er den Priester Gotthold Hasenhüttl suspendierte, weil dieser beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin auch nicht-katholische Christen zur Teilnahme an der Kommunion eingeladen hatte. 2006 entzog Marx dem streitbaren Theologen auch noch die kirchliche Lehrerlaubnis. "So etwas ist nicht schön für einen Bischof, und man tut es nicht gern", sagte Marx rückblickend in einem Interview, das er nach seinem Ruf an die Isar der katholischen "Münchner Kirchenzeitung" gab. Zugleich betonte er: "Es geht nur weiter in der Ökumene, wenn wir klar die Möglichkeiten und Grenzen des Partners respektieren und nicht den Eindruck vermitteln, der eine müsste genauso werden wie der andere."

Der gebürtige Westfale gilt als äußerst mediengewandt. Bei seinem öffentlichen Auftreten gibt er sich verbindlich, weltoffen, manchmal verschmitzt und oft zu einem Scherz aufgelegt. Die Bayern-Hymne habe er schon auswendig gelernt, sagte er Anfang Dezember beim ersten Besuch an seiner künftigen Wirkungsstätte. Die Westfalen und die Bayern verbinde, dass sie sehr traditionsbewusst und zugleich weltoffen seien.

Keine Scheu vor politischer Stellungnahme

Marx wurde am 21. September 1953 im westfälischen Geseke (Kreis Soest) als Sohn eines Schlossermeisters geboren. Nach dem Theologiestudium wurde er 1979 zum Priester geweiht. Er gilt seit langem als ausgewiesener Sozialexperte: Nach der Promotion wurde er 1989 Direktor des Sozialinstituts "Kommende" des Erzbistums Paderborn. Das Institut fördert Aktivitäten von Christen in Betrieben und Gewerkschaften. 1996 wurde er Professor für christliche Gesellschaftslehre in Paderborn, ein Jahr später Weihbischof. 2002 trat er sein Amt in Trier als bundesweit jüngster Diözesanbischof an - damals war er 48 Jahre alt. "Mit ganzer Liebe und Hingabe" will sich Marx dem neuen Amt in München stellen, wenngleich der Abschied von Trier schmerzhaft sei.

Der 54-Jährige bemüht sich nach eigenen Worten, "Zeuge zu sein, dass der Glaube eine Bereicherung des Lebens ist". Er will sich weiter deutlich zu gesellschaftlichen und politischen Fragen äußern. Es sei ihm wichtig, "dass die katholische Soziallehre ein Teil der Verkündigung ist". Vom Evangelium sei es den Christen aufgegeben, auch die Frage nach der Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu stellen. "Die Kirche hat in der modernen Gesellschaft viel zu sagen."

Da Marx dem Bistum Trier eine tiefgreifende Strukturreform verordnet und die Zahl der Pfarreien halbiert hatte, blicken manche Gläubige in Bayern ihrem neuen Oberhirten mit gemischten Gefühlen entgegen. Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" will die Gläubigen auffordern, dem neuen Erzbischof per Post, Fax oder Mail mutig ihre Wünsche und Sorgen mitzuteilen. Christian Weisner, Sprecher von "Wir sind Kirche", sieht das als konstruktiv-kritischen Beitrag: "Schließlich soll nicht nur das Kirchenvolk auf den Bischof hören, sondern der Bischof auch auf das Kirchenvolk."

Von Jürgen Balthasar, dpa

Zuletzt geändert am 27­.01.2008