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Veröffentlicht am 11­.02.2008

11.2.2008 - Deutschlandfunk

Kirchenvolksbewegung gegen "Gleichschaltung mit Rom"

Moderation: Stefan Heinlein

Anlässlich der bevorstehenden Wahl eines Nachfolgers von Kardinal Karl Lehmann als Vorsitzender der Bischofskonferenz hat Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" vor einer "Gleichschaltung mit Rom" gewarnt. Die Kirche als gesellschaftliche Integrationskraft sei sehr wichtig in Deutschland. An der Spitze der Konferenz müsse jemand stehen, der konsens- und integrationsfähig sei, betonte Weisner.

Stefan Heinlein: Herr Weisner, wie groß sind aus Ihrer Sicht die Schuhe von Kardinal Lehmann?

Christian Weisner: Ja, die sind schon wirklich sehr groß. Und es hat ja übrigens gestern der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in einem Interview ausgedrückt: die Intelligenz, die Differenzierfähigkeit und auch die Standfestigkeit. Damit meint er eben, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz eine wichtige Aufgabe hat wirklich der Vermittlung nach Rom. Man muss ja sagen, der Vorsitzende wird, eben anders als in Italien, nicht vom Papst bestimmt, sondern er wird von den Bischöfen gewählt. Und er soll natürlich jetzt da nicht, wenn er nicht der Papst von Deutschland ist, wie man so schön sagt, soll er auch nicht der verlängerte Arm des Papstes in Deutschland sein, sondern es ist auch ganz wichtig, und das hat wirklich Lehmann in diesen mehr als 20 Jahren grandios gemacht, er ist immer loyal gewesen, aber er hat auch sich um die pastorale Situation in Deutschland gekümmert und das auch immer wieder in Rom standhaft vorgetragen, Beispiel Schwangerschaftskonfliktberatung, was eben schon gesagt worden ist.

Heinlein: Viel Lob aus Ihrem Mund, Herr Weisner. Aber in vielen Punkten, die Ihnen ja als Kirchenvolksbewegung wichtig sind, Abschaffung des Zölibats oder die Rolle der Frau oder der Laien in der Kirche, gab es relativ wenig Bewegung mit Kardinal Lehmann?

Weisner: Ja, natürlich, und das liegt natürlich daran, dass die katholische Kirche eine Weltkirche ist, wo immer gesagt wird, na ja, wir müssen uns anpassen. Das kann man nicht in Deutschland nur so regeln, da wäre natürlich prinzipiell zu wünschen und ich denke, das ist ein ganz großer Appell des Kirchenvolkes an die Bischöfe, dass die Bischöfe auch in Rom, das gilt eigentlich für alle Bischöfe, nicht nur für den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, immer mehr sagen, wo sind wirklich die pastoralen Probleme. Und da gibt es natürlich einige schon, auch Australien und wo auch immer, aus der ganzen Welt. Die Probleme sind nämlich überall die gleichen. Es geht ja da drum, dass wir zu wenig Priester haben, dass die Gemeinden keine Eucharistie feiern können und dass letztlich die Frauen die Arbeit machen. Sie haben die Punkte angesprochen. Da steht die Kirche vor wirklich einem epochemachenden Wandel. Man muss ja sagen, die katholische Kirche hat sich in den 2.000 Jahren sehr gewandelt. Früher hat sie die Sklaverei unterstützt, mittlerweile ist sie zu einer Freiheitsbewegung geworden. Dieses muss auch weitergehen. Bloß im Augenblick, das ist natürlich die Traurigkeit, im Augenblick scheint aus Rom nichts zu kommen, um so wichtiger wäre, wenn die Bischöfe vor Ort und nicht nur der Vorsitzende alleine immer dieses wieder dringend nach Rom tragen.

Heinlein: Glauben Sie, dass es diesen von Ihnen erwähnten notwendigen Wandel nun auch an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz geben wird?

Weisner: Ja, das ist natürlich jetzt die Verantwortung der Bischöfe in Würzburg, die sich jetzt ab heute dort treffen. Man muss einfach sagen, bei der letzten Bischofsvollversammlung vor einem halben Jahr, da ging es noch um diesen unsäglichen Umgang eines Bischofs mit sexuellem Missbrauch, da haben sie leider keine gute Figur gemacht. Ich kann erst mal nur wünschen, dass die Bischöfe selber wieder einig werden. Denn einige Ausreißer, und das wurden im Laufe der Jahre ja immer mehr, haben ja Kardinal Lehmann das Leben sehr, sehr schwer gemacht. Das ist schon eine wichtige Aufgabe, dass die Bischöfe einen wählen, der konsensfähig ist, der integrationsfähig ist, dass sie ihm dann aber auch, ich will mal sagen, gemeinsam im Team helfen, diese Arbeit zu machen.

Heinlein: Wer würde denn diesen Wandel verkörpern, der viel genannte Münchener Bischof Marx?

Weisner: Da möchten wir als Kirchenvolksbewegung eigentlich jetzt keine Wahlempfehlung geben. Das ist wirklich eine Sache der Bischöfe selber. Ich kann nur wünschen, wenn es eben der Erzbischof Marx wird, dass er sich auch an dieser Aufgabe nicht verhebt, denn das ist natürlich eine schwierige Aufgabe. Und man muss sagen, es sieht leider auch in der Kirche, um das mal ganz drastisch zu sagen, gibt es auch dort das Peters-Prinzip, dass Menschen die Karriereleiter zu schnell hoch stürmen und dann irgendwo auch überfordert sind. Das wünsche ich nicht dem Erzbischof Marx, das wünsche ich aber auch nicht unserer Kirche.

Heinlein: Was ist denn wichtiger für den neuen Mann der Spitze, theologische Kompetenz und Autorität oder Glaubwürdigkeit, Volksnähe und Ausstrahlung?

Weisner: Eigentlich ist alles wichtig. Und man muss ja natürlich sagen, dass ein neuer Kandidat in jedem Amt auch mit dem Amt wächst, und es wird davon abhängen, wie sehr der neue Vorsitzende die verschiedene Kräfte, die in der Bischofskonferenz sind, wieder bündelt, wieder einbindet. Das hat wirklich Lehmann grandios gemacht. Da wird der neue, ob er nun Zollitsch, Marx oder wie auch immer heißt, es sind ja noch andere Kandidaten im Gespräch, da wird er seinen eigenen Weg finden.

Heinlein: Ist das denn, Herr Weisner, für Sie auch denkbar, dass es einen Richtungswechsel geben könnte, etwa durch die Wahl von Kardinal Meisner oder Bischof Mixa, beides ja sehr konservative Vertreter der Amtskirche?

Weisner: Der Generationswechsel, der natürlich ansteht, wird immer auch ein Richtungswechsel sein. Ich kann aber nur hoffen oder wir als Kirchenvolksbewegung, wir hoffen natürlich sehr, dass es nicht ein Richtungswechsel wird, dass jetzt eine direkte, ich will mal sagen, Gleichschaltung mit Rom wird. Wir haben als Negativbeispiel dafür leider das Beispiel der niederländischen Kirche, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil einen großen Aufbruch gehabt hat, der wurde von Rom brachial gestoppt. Die Folge ist, dass jetzt die niederländische Kirche marginalisiert, nicht mehr Bedeutung in der Gesellschaft hat. Dieses darf in Deutschland nicht passieren. Dafür ist die kirchliche Kraft als Integrationskraft, auch in der Ökumene, für uns in Deutschland viel zu wichtig, das wurde mittlerweile auch von der Politik erkannt.

Heinlein: Gleichschaltung mit Rom, mit dem Vatikan, das hieße konservativ aus Ihrer Sicht. Wird denn der Vatikan, wird der Papst in irgendeiner Form Einfluss nehmen auf die heutige Wahl?

Weisner: Ich denke mal, dass die Reise von Erzbischof Marx, die wohl auf sein Betreiben vor seiner Inthronisation in München erfolgt, die er gemacht hat nach Rom, das ist natürlich ein gewisses Zeichen gewesen. Und insofern sehe ich da schon einen gewissen Einfluss. Und es gibt natürlich, gerade, weil es auch ein deutscher Papst ist, ein Papst, der die Situation in Deutschland sehr, sehr gut kennt. Aber ich denke, er wäre schlecht beraten, wenn er wirklich nur einen Kandidaten nimmt, der seine Linie direkt vertritt. Er muss, der neue Vorsitzende muss die gesamte Katholizität in Deutschland vertreten. Und ich kann nur appellieren auch an die Menschen: Schreiben Sie dem neuen Vorsitzenden, egal, wie er heißt, sagen Sie ihm, was die Nöte der Kirche sind, beteiligen Sie sich. Die Wahl des Vorsitzenden ist viel zu wichtig, dass die Bischöfe alleine nur das machen, sondern sie geht ja die ganz Kirche und darüber hinaus an.

Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk Christan Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Herr Weisner, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

Zuletzt geändert am 11­.02.2008