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Veröffentlicht am 11­.02.2008

11.2.2008 - Frankfurter Rundschau

Die Suche nach dem Superhirten

VON SABINE HAMACHER

Es klingt bitter, was der Theologe Wolfgang Seibel über die Entwicklung der katholischen Kirche in den vergangenen Jahrzehnten sagt. Als bleibende Errungenschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils, das von 1962 bis 1965 die Kirche zur Welt öffnete, fällt ihm die Religionsfreiheit ein. Und sonst? Noch nie sei der Zentralismus in der Kirche so ausgeprägt gewesen wie heute, die Ortskirchen seien weitgehend ausgeschaltet, die Bischöfe auf reine "Befehlsempfänger" des Papstes reduziert worden, klagt der Jesuit.

Er steht mit seiner Sorge nicht alleine da. Papst Benedikt XVI. hat reformorientierten Katholiken bislang keinen Anlass zu der Hoffnung gegeben, dass er in für sie dringenden Fragen wie Zölibat, Frauenpriesterschaft, Empfängnisverhütung oder der Beteiligung von Laien zu Zugeständnissen bereit ist. Im Sommer stärkte er mit dem Motu Proprio die Anhänger der rückwärtsgewandten Alten Messe. Wenig später brachte der Vatikan ein Dokument heraus, das den anderen christlichen Gemeinschaften abspricht, "Kirchen im eigentlichen Sinn" zu sein und die deutschen Protestanten auf die Barrikaden brachte.

So scheint die Kluft zwischen Kirchenspitze und den im Alltag des Jahres 2008 lebenden Gläubigen immer größer zu werden. Der "Religionsmonitor" der Bertelsmann-Stiftung brachte heraus, dass sich zwar 70 Prozent der Deutschen als religiös einstufen, dies aber keineswegs bedeutet, dass sie sich auch einer Kirche zugehörig fühlen. Rund 26 Millionen Mitglieder hat die katholische Kirche in Deutschland,Tendenz sinkend. Um ihre Rolle inmitten der bunten Konkurrenz zu behaupten, braucht sie ein gutes Angebot.

Und so geht es auch um Positionsbestimmung, wenn am heutigen Montag die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Würzburger Kloster Himmelspforten zu ihrem Treffen zusammenkommt. Ein Studientag zum Thema Ehe und Familie ist geplant; dass die Versammlung diesmal auf großes öffentliches Interesse stößt, hat aber einen anderen Grund: Die 69 Ortsbischöfe, Weihbischöfe und anderen Würdenträger wählen den Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann.

Der Mainzer Bischof war fast 21 Jahre DBK-Vorsitzender und hat der katholischen Kirche in Deutschland sein Gesicht gegeben. Im Januar kündigte der 71-Jährige seinen Rücktritt für den 18. Februar an. Seine angegriffene Gesundheit - Lehmann lag im Dezember mit Herzrhythmusstörungen im Krankenhaus - lasse ihm keine andere Wahl, so der Kardinal. Auch sei es Zeit für eine "Wachablösung".

Lehmann will heute in Würzburg eine Bilanz seiner Amtszeit ziehen. Er ist im Konzil verwurzelt, das er als junger Theologe in Rom miterlebte; die Stärkung der Alten Messe muss er als Rückschlag empfinden. Es ist kein Geheimnis, dass ihm auch das Verhalten einiger Bischöfe zu schaffen gemacht hat: Der Augsburger Walter Mixa, der Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorwarf, mit dem Ausbau von Krippenplätzen Frauen zu "Gebärmaschinen" zu machen; der Kölner Erzbischof Joachim Meisner, der den Nazi-Begriff der "entarteten Kunst" in den Mund nahm und nicht zuletzt der Regensburger Gerhard Ludwig Müller, der einen als Sexualtäter vorbestraften Priester zum Gemeindepfarrer machte und nicht bereit war, seinen Fehler einzugestehen.

Müllers Verhalten, dass seine Kollegen ungewöhnlich scharf kritisierten, hat ihn als Kandidaten für die Lehmann-Nachfolge praktisch disqualifiziert. Auch Mixa schoss übers Ziel hinaus und hat nach Einschätzung von Experten keine Chance, gewählt zu werden. Der 74-jährige Meisner scheidet schon aus Altersgründen aus. Und so kursieren seit Wochen zwei Namen: Der des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch und der seines neuen Münchner Kollegen Reinhard Marx.

Der 54-jährige Sozialethiker Marx, ein Mann der Kommunikation, versteht es als seine Aufgabe, sich in die politischen Debatten in der Gesellschaft einzumischen. Darin, und in seiner verbindlichen Art, wäre er Lehmann ähnlich. Während sich letzterer aber als liberal denkender Kirchenmann zeigte, ist Marx bislang durch Papsttreue aufgefallen. Aus dessen Sicht, so glauben Beobachter, gibt es deshalb keinen besseren DBK-Vorsitzenden, weil Marx die katholische Kirche hart, aber freundlich darstellt und zudem im Medienzeitalter gut rüberkommt.

Das ist bei Zollitsch, 69, eher nicht der Fall, denn bislang ist der Freiburger außerhalb seines Bistums kaum aufgefallen. Als Vorsitzender des Verbands der Diözesen Deutschlands, der über die Kirchenfinanzen entscheidet, hat er aber viel Einfluss; auch soll er bei seinen Bischofskollegen hoch angesehen sein. Als DBK-Vorsitzender würde sich sein Wirken vermutlich eher nach innen richten.

Doch noch waren die Bischöfe immer für Überraschungen gut. Zwar heißt es immer wieder, dass Marx mit seinem Münchner Bistum voll ausgelastet sei; und auch andere Bischöfe haben sofort abgewunken, als sie als Nachfolge-Kandidaten genannt wurden. Doch ausgeschlossen ist gar nichts. Denn auch Lehmann war bei seiner Wahl 1987 keineswegs der Favorit gewesen.

Zuletzt geändert am 11­.02.2008