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Veröffentlicht am 13­.02.2008

13.2.2008 - Frankfurter Rundschau

Zollitsch übernimmt Vorsitz

VON SABINE HAMACHER

Würzburg. "Not me!" - Ein philippinischer Bischof hastet mit seinem Koffer in der Hand über den Platz vorm Exerzitienhaus des Klosters Himmelspforten, den gut 100 Journalisten und mehrere Kamerateams umstellt haben. Aber dann tritt wirklich Robert Zollitsch aus der Tür: der frisch gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Ein Ah und Oh geht durch die Menge an diesem Dienstagvormittag, denn der Mann, den der scheidende Kardinal Karl Lehmann zufrieden als seinen Nachfolger präsentiert, ist nicht Reinhard Marx, Münchens weltgewandter neuer Erzbischof. An der Seite Lehmanns steht Zollitsch, 69 Jahre alt, Erzbischof von Freiburg - und der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannt.

"Spontan wollte ich klatschen", sagt Christian Weisner von der Reformbewegung "Wir sind Kirche", denn Zollitsch sei "die Fortsetzung von Lehmann mit anderen Mitteln". Zollitsch war zwar auch für die Nachfolge des herzkranken Kardinals gehandelt worden, doch hatten sich die Gerüchte in den vergangenen Tagen stark Richtung Marx verdichtet. Der romtreue Sozialethiker, strotzend vor Energie, hat mit München gerade erst eine große Aufgabe übernommen, doch schien an dem 54-jährigen Kommunikationstalent - und damit dem Generationenwechsel - kein Weg vorbeizugehen.

Der hat jetzt noch sechs Jahre Zeit. Zollitsch galt als derjenige der beiden Favoriten, der weniger Außenwirkung entfalten würde. Und als wollte er Zweifel an seiner Eignung aus dem Weg räumen, betonte der Freiburger in seiner kurzen Ansprache sofort: "Wir müssen schauen, wie wir als Kirche präsent bleiben." Die Ökumene bleibe ein wichtiges Anliegen, darin sei er sich mit Lehmann einig. "Wir sind uns theologisch und menschlich so nah, dass es schwer wird, Unterschiede zu entdecken." Allerdings gilt er anders als sein Vorgänger nicht als überragender Theologe, und auch äußerlich fällt ein Unterschied sofort auf: Er wirkt fast zerbrechlich, redet besonnen und leise. Im Gespräch, so sagen die, die ihn gut kennen, liege seine Stärke; weniger im großen Auftritt.

Kirchenpolitisch wird Zollitsch der liberaleren Mitte zugeordnet: Das Zölibat sähe er lieber als freiwillige Regelung, er fördert die Laienarbeit. In der Stammzelldebatte vertritt er klar die katholische Position gegen eine Verschiebung des Stichtags. Das Freiburger Erzbistum, dem er seit vier Jahren vorsteht, ist das zweitgrößte in Deutschland und steht in einer aufgeschlossenen Tradition.

Geboren wurde Zollitsch 1938 im ehemaligen Jugoslawien; nach der Vertreibung landete die Familie in der Nähe von Freiburg. Der Stadt blieb er treu, studierte Theologie, wurde zum Priester geweiht und arbeitete bis zu seiner Ernennung zum Erzbischof 2003 in verschiedenen Positionen im Bistum.

Das wird er für seinen neuen Job nun öfter verlassen müssen. Und viel Zeit für seine Wanderleidenschaft dürfte ihm auch nicht bleiben. Als im zweiten Wahlgang klar geworden sei, dass ihm seine Mitbrüder mit Zweidrittelmehrheit das Vertrauen ausgesprochen hatten, habe er erst mal nach Luft ringen müssen: "Ich ahne erst, was auf mich zukommt."

Reaktionen
Zur Wahl von Robert Zollitsch erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, dass diesem "der Ruf eines weitsichtigen Bischofs mit großer pastoraler wie administrativer Erfahrung vorausgeht". Gerne nehme er dessen kürzlich geprägtes Wort von einer "anspruchsvollen Ökumene" auf, das auch seine eigene Überzeugung treffe.

Die Kirchenreformbewegung "Wir sind Kirche" sprach von einer "ausgesprochen guten Wahl". Zollitsch sei ein kluger Moderator und engagierter Vermittler. Er könne auch ein Motor zur verbesserten Ökumene sein.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) bezeichnete Zollitsch als Seelsorger, der die Menschen im Blick habe und für einen ernsthaften Dialog und kritische Zeitgenossenschaft mit den Menschen von heute steht".

Der Chef des Caritasverbandes, Peter Neher, lobte Zollitsch als einen Menschen, der stets den Ausgleich suche. "Wir freuen uns auf einen starken Partner für das anwaltschaftliche Engagement für Menschen in Not."

Kommentar
Hirte auf Zeit

VON SABINE HAMACHER

Also doch (noch) kein Generationenwechsel. Die Wahl des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz heißt vor allem eines: Kontinuität. Für weitere sechs Jahre ist die Fortsetzung der liberalen Lehmann-Linie gesichert. Dann wird Zollitsch 75 sein und wahrscheinlich seinen Platz für einen Jüngeren räumen. Der könnte dann Reinhard Marx heißen, wäre gerade mal 60 Jahre alt und hätte sein Münchner Erzbistum längst fest im Griff.

Kann sein, dass die 69 Bischöfe und anderen Würdenträger sich deshalb so schnell auf Zollitsch einigten, weil er nur eine Übergangslösung ist. Und offenbar ist die Zeit noch nicht reif für Medien-Hansdampf Marx. Außerdem hat sich Zollitsch als Chef des einflussreichen Verbands der Diözesen Deutschlands, der über die Kasse der Bischofskonferenz entscheidet, viel Ansehen erworben. Und sein Bistum blüht; bis auf kleinere Konflikte mit Laien werden keine Störfaktoren gemeldet. Brücken wolle er bauen, Konsens herstellen, sagt Zollitsch. Dass er Lehmanns Favorit war, muss wohl nicht bezweifelt werden.

Zuletzt geändert am 13­.02.2008