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Veröffentlicht am 09­.02.2008

9.2.2008 - Stuttgarter Zeitung

Das Kandidatenkarussell dreht sich noch kräftig

Münchner Bischof Favorit für Nachfolge von Kardinal Lehmann

Die am Montag beginnende deutsche Bischofskonferenz bringt das Ende einer Ära. Kardinal Karl Lehmann gibt das Amt des Vorsitzenden an einen anderen weiter. Das Rennen um seine Nachfolge ist offen. Manche fürchten, der Wechsel bringe einen Klimawandel in der Kirche.


Von Michael Trauthig

Es wirkt geschickt inszeniert, dass die 69 deutschen Bischöfe und Weihbischöfe ausgerechnet in Würzburg zusammenkommen. Denn für die katholische Kirche ist die Stadt am Main ein geschichtsträchtiger Ort. Vor genau 160 Jahren - im Revolutionsjahr 1848 - versammelten sich ihre Oberhirten hier zum ersten Mal. Ging es damals vor allem um die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat, so beschäftigt sich die Bischofskonferenz jetzt zunächst mal mit sich selbst. Sie wird dabei aber auch ein bisschen Geschichte schreiben, weil ihr bisheriger Vorsitzender Kardinal Karl Lehmann den Stab nach fast 21 Jahren im Amt und damit nach einer kleinen Epoche jetzt an einen Nachfolger weiterreicht. "Die Folge könnte ein Klimawandel in der Kirche sein", meint Christian Weisner von der Reformgruppe "Wir sind Kirche" etwas zuspitzend.

Er spielt damit auf Lehmanns Rücktrittsschreiben an, in dem der Mainzer Bischof selbst für einen Generationswechsel plädiert hat. Eigentlich klingt es nach Aufbruch, wenn junge, neue Köpfe ans Ruder kommen. Weisner sieht den Wandel aber zwiespältig. Einerseits könne er neue Dynamik bringen, andererseits könnten nun womöglich die Theologen nach vorne kommen, die die Uhren wieder zurückstellen möchten, fürchtet Weisner. Die Folge könnte weniger Demokratie und weniger Ökumene in der Kirche sein, befürchtet er. Ob aber tatsächlich die Bischöfe im Kloster Himmelspforten für einen Richtungswechsel votieren und einen Konservativen küren, ist keineswegs ausgemacht.

Zu den streng Romtreuen zählt sicher der neue Münchner Erzbischof Reinhard Marx. Er ist auf den ersten Blick der natürliche Nachfolger Lehmanns. Schließlich ist er mit 54 Jahren nicht nur jung genug, sondern er hat auch noch den Bischofsstuhl besetzt, der neben dem Kölner traditionell mit dem Vorsitz verbunden war. Außerdem ist Marx mediengewandt, klug, politisch talentiert und theologisch gebildet. Doch die Wahl kommt für den ehemaligen Trierer Oberhirten im Grunde zu früh. Marx muss sich erst in seine neue Diözese einarbeiten. Für das Amt des Vorsitzenden bleibt da wohl zu wenig Zeit. "Ich dränge mich nicht nach neuen Aufgaben", sagt Marx denn auch. Das allerdings dürfte Taktik sein. Schließlich kommt übertriebener Ehrgeiz bei den Mitbrüdern nicht gut an.

Für einen Generationswechsel würde neben ihm auch der 56-jährige Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode stehen. Der Vorsitzende der Jugendkommission gilt als dialogfähig und zählt kirchenpolitisch - anders als Marx - eher zum liberalen Lehmann-Lager. Gleiches lässt sich über den 59-jährigen Rottenburger Gebhard Fürst sagen, dem allerdings nur Außenseiterchancen eingeräumt werden. Spekulationen ranken sich daneben um den 58-jährigen Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Ein älterer Übergangskandidat, der nach einer sechsjährigen Amtsperiode dann wieder abtritt, könnte ebenfalls vorne liegen. Der 67-jährige Achener Bischof Heinrich Mussinghoff - ohnehin schon Vize hinter Lehmann - bot sich für dieses Modell an, hat aber abgewinkt. Auch deshalb richten sich die Blicke auf den 69-jährigen Freiburger Robert Zollitsch. Der steht nicht nur im Ruf, seine Diözese effektiv, unauffällig und im Konsens zu managen, er gehört auch zur kirchenpolitischen Mitte und zählt als Leiter des Verbandsausschusses der deutschen Diözesen zu den einflussreichsten Oberhirten. Bis zur Entscheidung wird also viel spekuliert, gerätselt und gemutmaßt.

Trotz dieses breiten Personaltableaus sind Überraschungen nicht zuletzt wegen des Wahlverfahrens möglich. Ähnlich wie beim Konzil in Rom, das ebenfalls hinter verschlossenen Türen stattfindet, schreibt jeder Bischof seinen Favoriten frei auf einen Zettel. In den ersten beiden Wahlgängen ist die Zweidrittelmehrheit nötig, danach reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Im Gegensatz zum Kirchenoberhaupt ist die Stellung des Konferenzvorsitzenden allerdings schwach. Er soll die katholische Kirche in Deutschland nach außen vertreten, die Versammlung der Bischöfe moderieren und die Schar der zum Teil höchst eigenwilligen Hirten möglichst zusammenhalten. Bestimmen kann er freilich nichts. Jeder Bischof hat da in seiner Diözese allein das Sagen. "An der Basis", so betont ein führender Mitarbeiter eines Ordinariats deshalb, "wird sich auch nach Würzburg kaum etwas ändern."

Zuletzt geändert am 13­.02.2008