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Veröffentlicht am 13­.02.2008

13.2.2008 - Stuttgarter Zeitung

Robert Zollitsch tritt an die Spitze der Bischofskonferenz

Den Reformern fällt ein Stein vom Herzen Statt eines Generationswechsels gibt es nur eine Stabübergabe: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch löst Karl Lehmann an der Spitze der Bischofskonferenz ab. Er will auf Lehmanns Kurs bleiben.

Von Michael Trauthig, Würzburg

Der Countdown beginnt um 10.30 Uhr. In diesem Moment stimmen die 69 deutschen katholischen Bischöfe bereits seit einer Stunde im Burkardussaal des Würzburger Exerzitienhauses Himmelspforten über den neuen Mann an ihrer Spitze ab. Nichts dringt nach außen durch die dicken Klostermauern. Klar ist nur, es ist eine Wahl ohne Wahlkampf, ohne Aussprache und ohne Öffentlichkeit. Die Jalousien sind zugezogen, während die Bischöfe so lange Namen auf weiße Zettel schreiben, bis einer die Mehrheit hat. Es ist ein Machtkampf der beiden Erzbischöfe Robert Zollitsch und Reinhard Marx. Noch bis zuletzt, heißt es, habe der Kölner, Kardinal Meisner, Stimmung für Marx gemacht. Doch das sind nur Gerüchte, die unter den 100 wartenden Journalisten kursieren.

Dann kommt Bewegung in die Szene. Pater Hans Langendörfer, Sekretär der Bischofskonferenz und für das Auszählen der Stimmen zuständig, verlässt den Saal. Die Spannung steigt. Wenig später tritt der scheidende Kardinal Karl Lehmann durch die Tür und hat nicht - wie erwartet - Marx im Schlepptau, sondern den Freiburger Zollitsch. Ein wenig wirkt das Duo wie der große Lehrer und sein bescheidener Schüler. Während der 71-jährige Lehmann locker die Mikrofone entert, ist der zwei Jahre jüngere Zollitsch angespannt. Und das, obwohl Lehmann ihm Streicheleinheiten spendiert, ihn den "lieben Robert" nennt und seine Erfahrung lobt. Der Mainzer führt Regie und ist zufrieden, weil zwischen ihn und seinen Nachfolger theologisch kein Blatt passt, und weil erneut ein Mann "aus dem Südwesten" an die Spitze tritt. Das Ergebnis der Wahl ist ganz nach Lehmanns Geschmack, ein kleiner Sieg für ihn. Im Übrigen, so verraten beide, sei es im Saal entspannt zugegangen. Von wegen Machtkampf. Marx habe Zollitsch vor dem dritten entscheidenden Wahlgang die Hand geschüttelt, seine Niederlage eingeräumt und Zustimmung signalisiert.

Zollitsch ist alles andere als ein Triumphator. Er lächelt wenig, beißt die Lippen zusammen, hält die Hände an der Hosennaht und erscheint nervös. Spürt der Geistliche jetzt, welche Last er sich auflädt mit all der Arbeit und den vielen eigensinnigen Oberhirten, die er zusammenführen soll? Ist der Knochenjob nicht zu viel für einen so feingliedrig und zerbrechlich wirkenden Senior mit weißen Haaren? "Ich musste erst mal Luft holen, als das Wahlergebnis bekannt wurde", gibt Zollitsch zu. Dennoch wirkt der gebürtige Donauschwabe bei seiner kurzen Rede selbstbewusst. Er formuliert mit sonorer, fester Stimme druckreif, sagt, was ihm am Herzen liegt und sendet ein Signal der Kontinuität aus. "Ich möchte Brücken bauen, den Konsens herstellen, die Ökumene weiterführen", betont der Geistliche.

In der Münchner Gruppe des haushohen Favoriten Marx herrscht derweil Katzenjammer. "Wir sind schon traurig", sagt ein Weihbischof von der Isar. Den Kirchenreformern aber fällt ein Stein vom Herzen. "Ich hätte Zollitsch fast applaudiert", meint Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung. Er hofft, dass Zollitsch so wie Lehmann fördernd auf die Laien zugeht. Der Neue stehe "etwas weiter rechts als Lehmann", heißt es zwar unisono, doch ob solche Etiketten passen, ist zweifelhaft. Einerseits gehört der Freiburger der nicht gerade progressiven Schönstatt-Bewegung an, die den Marienglauben fördern will. Andererseits ist er jeglichen Klerikalismus unverdächtig. Zollitsch genießt Respekt unter seinen Mitbrüdern, weil er den Verband der Diözesen Deutschland gut geführt hat. Er ist ein Verwaltungs- und Finanzmann, wird als effizient, fleißig und durchsetzungsfähig beschrieben und als jemand, der auch nach fünf Jahren im Amt seine Bodenhaftung nicht verloren hat. Er sei ein stiller Arbeiter im Weinberg des Herrn, heißt es.

Schon von seiner körperlichen Statur her scheint Zollitsch ein Gegenmodell zu seinem kraftstrotzenden westfälischen Konkurrenten Reinhard Marx zu sein. Auch im Stil unterscheiden sich beide gründlich. Liebt Marx das direkte Wort, die Zuspitzung, formuliert Zollitsch nachdenklich und bedächtig. Er differenziert fast wie ein zweiter Lehmann. Mag sein, dass die Medien deshalb kaum Notiz von Zollitsch und auch von seinen politischen Worten etwa zu Bioethik genommen haben. Als blass und farblos wurde er beschrieben. Doch dieses Urteil ist ungerecht angesichts dessen, wie sich der Chef der mit 2,1 Millionen Gläubigen zweitgrößten Diözese Deutschlands bisher geschlagen hat. Das vom Bodensee bis an den Main reichende Erzbistum wird dank des Engagements von Zollitsch als Vorreiter bei Strukturreformen wie der Einführung der Seelsorgeeinheiten gesehen. Statt den wachsenden Schwund an Priestern, Ordensleuten und den Verlust aktiver Gottesdienstbesucher nur zu verwalten, will Zollitsch den Wandel gestalten und neue Wege zum Glauben öffnen. Die Kirchen sollten nicht Nachlassverwalter der Vergangenheit sein, mahnt er. Seine Diözese hat er organisatorisch im Griff und finanziell unter Kontrolle, was sich nicht über alle der 27 deutschen Oberhirten sagen lässt.

Getreu seines Wahlspruchs "In der Gemeinschaft des Glaubens" befiehlt der Erzbischof nicht, sondern setzt auf eine Bewegung von unten nach oben. Er beteiligt Gremien, Hauptamtliche, Laien und das Kirchenvolk, pflegt einen kommunikativen Stil. Die "pastoralen Leitlinien", der Zukunftsrahmen des Bistums, wurden so erst nach einer Umfrage unter 8000 Interessierten fertiggestellt.

Zollitsch war viele Jahre Personalchef in seiner Diözese in Freiburg und nach seiner Berufung zum Erzbischof im Jahre 2003 tat er alles, um ein damals gegebenes Versprechen einzulösen: ein Bischof zum Anfassen zu sein. Er reist viel in der Erzdiözese, er besucht Firmfeiern, Gemeindejubiläen oder Kirchweihen und lässt sich auch mal von Viertklässlern zum Interview bitten. Er sucht den Kontakt zur Politik, Wirtschaft, Kultur, geht offen auf Menschen zu. Sein Arbeitspensum ist enorm. Bereits um 5.30 Uhr beginnt sein Tag, der oft spät in der Nacht endet. Einen unglaublichen Elan attestieren ihm seine Freunde. Enge Mitarbeiter loben seinen feinen Humor und seine mitfühlende Art. "Ich kann mit allen meinen Sorgen zu ihm kommen", erzählt einer.

Zollitsch stammt aus einem frommen Elternhaus, und dass er Optimismus verbreiten kann, verdankt er seinem festen Glauben. Der hielt ihn aufrecht trotz der Schicksalsschläge auf der Flucht aus dem früheren Jugoslawien. Damals wurde sein Bruder von Titopartisanen erschossen, die Familie entkam knapp dem Hungertod, gelangte aber schließlich in die Diözese Freiburg, der Zollitsch bis heute treu blieb. Dort löst seine Berufung gemischte Gefühle aus. Manche sorgen sich um die Belastung für ihn, andere sehen höhere Anforderungen auf sich zukommen. "Ich fürchte", sagt ein Würdenträger aus Freiburg, "wir Weihbischöfe müssen ihn nun bei vielen Terminen vertreten."

Zuletzt geändert am 13­.02.2008