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Veröffentlicht am 20­.02.2008

20.2.2008 - dpa

Richtungskampf oder Kräftemessen in der Deutschen Bischofskonferenz?

Jahrzehntelang wurde die katholische Kirche um ihre Geschlossenheit beneidet. Die Deutsche Bischofskonferenz galt als "schwarzer Block". Meinungsverschiedenheiten drangen eher selten an die Öffentlichkeit. Wie ein Paukenschlag wirkte deshalb das "Spiegel"-Interview des gerade gewählten Vorsitzenden Robert Zollitsch als Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann. Zollitschs Bereitschaft, das Heiratsverbot für Priester infrage zu stellen, rief ungewöhnlich krassen Widerspruch konservativer Oberhirten wie Gerhard Ludwig Müller (Regensburg) hervor.

"Klar, es ist auch ein Richtungskampf in der Bischofskonferenz", meint Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche". Der Chefredakteur der Fachzeitschrift "Herderkorrespondenz", Ulrich Ruh, sieht eher "Machtspiele": "Es ist keine Spaltung der Bischofskonferenz, sondern es geht darum auszutesten, wie die Gewichte verteilt sind." Der Eindruck von etwa gleichstarken Lagern zwischen Konservativen und Reformkräften sei aber falsch. "Sonst wäre nicht Zollitsch gewählt worden, der in klarer Kontinuität zu Lehmann steht."

Gerade auf Lehmann sind konservative Kirchenkreise nicht gut zu sprechen, so wegen seines langen Festhaltens an der Schwangerenkonfliktberatung gegen den Willen Roms. Neben Müller gelten Kardinal Joachim Meisner (Köln) und Walter Mixa (Augsburg) als besondere Gegner eines ihrer Meinung nach zu sehr an die Gesellschaft angepassten Kirchenkurses. In der aktuellen Ausgabe von Mixas Bistumsblatt "Katholische Sonntagszeitung" heißt es denn auch: "Die "Ära Lehmann" war nicht selten durch Staatsnähe, Anlehnung an den Zeitgeist und eine stes spürbare Distanz zum römischen Zentrum der katholischen Kirche geprägt: Ein Position, die vielen in jüngster Zeit neu ernannten Bischöfen nicht mehr zeitgemäß erscheint." Er werde unter anderem Zollitschs Aufgabe sein, "in einer Zeit des Übergangs diesen Wandel zu moderieren".

Doch Zollitsch moderierte im "Spiegel"-Interview nicht im Sinne der Konservativen, sondern schlug, kaum gewählt, eigenständig Pflöcke ein. Der Freiburger Erzbischof wandte sich gegen "Denkverbote", er bezeichnete das Zölibat, über das aber nur Rom entscheiden kann, als "nicht theologisch notwendig". Was darüber fast nicht wahrgenommen wurde: Er kündigte an, die Belange der deutschen Katholiken in Rom "zur Sprache zu bringen" - und wagte auch noch, dass Vatikandokument, das den evangelischen Kirchen das Kirchesein im eigentlichen Sinne abspricht, als verletzend zu brandmarken. Dass er sich für die Laien einsetzt, auch für eine angemessene Beteiligung der Frauen in der Kirche und neue Formen der Ökumene begrüßen nicht nur Reformkräfte wie "Wir sind Kirche". "Zollitsch steht mit seinen Positionen im Mainstream des deutschen Katholizismus", betont Ruh. Die Aussteiger seien die konservativen Bischöfe.

Die Bataillone der katholischen Mehrheit und konservativen Minderheit beginnen sich zu formieren. Bischof Müller bezeichnete umgehend in einer Pressemitteilung das Zölibat als nicht zur Diskussion stehend und kritisierte die "Neuauflage alter Zölibatsdebatten, bei denen schon alles gesagt worden ist". Ob er damit Zollitsch früh disziplinieren, dessen Autorität untergraben oder nur seine eigene Meinung sagen wollte, ist Interpretationssache. Nach Einschätzung von Ruh dürfte sich Zollitsch künftig noch genauer überlegen, was er sagt und was nicht. Manche verweisen auch auf das Statut der Bischofskonferenz, wonach der Vorsitzende gemeinsame Beschlüsse darlegen soll, nicht jedoch seine eigene Position.

Demonstrativ gelassen sieht der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans-Joachim Meyer, die öffentlichen Diskussionen - sie seien auch "ein Zeichen für die Vitalität der Kirche". Inhaltlich steht der Dachverband der katholischen Laienverbände allerdings voll hinter Zollitsch. Der "Kirchenkampf" darf sich nach Ansicht von Weisner nicht im Wettstreit um die veröffentlichte Meinung erschöpfen. Angesichts von Gemeinde-Zusammenlegungen, Kirchenaustritten, Priestermangel und der Überalterung des Klerus müssten pastorale Konzepte entwickelt werden, um den Glauben in die nächsten Generationen weiterzutragen.

Doch zunächst wird noch über einen innerkirchlichen Eklat debattiert: Beim feierlichen Gottesdienst zur Verabschiedung des langjährigen Münchner Erzbischofs, Kardinal Friedrich Wetter, fehlten am vergangenen Sonntag gleich vier bayerische Bischöfe: Mixa, Müller, Wilhelm Schraml (Passau) und Friedhelm Hofmann (Würzburg) -demonstrativ, wie manche meinen, denn Wetter gilt als ausgewogener Kirchenmann und wurde von Lehmann verabschiedet. Das Bistum Augsburg ließ auf Nachfrage mitteilen, "dass Bischof Dr. Walter Mixa durch dringende diözesane Termine an der Teilnahme in München verhindert war. Alle darüber hinausgehenden Spekulationen entbehren jeder Grundlage."

Zuletzt geändert am 20­.02.2008