7.3.3008 - Publik-Forum
Lieber Papst Benedikt,
drei Jahre Pontifikat sind eine kurze Zeit in der Geschichte der Päpste. Doch sie reichte, um aus dem Jubelruf: »Wir sind Papst!« bei vielen Menschen in Deutschland und in der Welt Enttäuschung werden zu lassen. Die Hoffnung, der progressive Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils Joseph Ratzinger werde als Papst für Reformen sorgen, haben sich leider nicht erfüllt. Sie setzen stattdessen um, was Sie in Ihrer Zeit als Leiter der Glaubenskongregation begonnen haben. Dort haben Sie Ihr Feld gut bestellt und können jetzt das Vorbereitete fortführen. Und so können wir uns unter Ihrem Pontifikat in der vor einigen Tagen aufgetauchten, aber gleich dementierten Meldung aus Rom, dass der kniende Empfang der Mundkommunion wieder eingeführt werden solle, durchaus die Wirklichkeit vorstellen.
Doch die Herde scheint geduldig. In jeder Ihrer nun durchgesetzten »Neuerungen« versuchen viele Schafe noch ein Hälmchen lebenserhaltendes Futter zu finden: in der Liturgie-»Reform«; in der zwar abgewandelten, aber immer noch skandalösen Bitte für die Juden im tridentinischen Ritus; im Abwenden von der Ökumene mit den protestantischen Kirchen; in der Ernennung konservativer Bischöfe; im Festhalten an der Ausgrenzung von wiederverheirateten Geschiedenen von der Eucharistie; in Ihrer Sicht von Familie; in Ihrer Kritik an homosexuellen Partnerschaften; im Versuch, den Frauen eine neue Rolle in der Kirche - natürlich ohne priesterliches oder diakonales Amt - zuzuweisen; in Ihrer Aufforderung an Vertreterinnen und Vertreter kirchlicher Organisationen, auf Unterstützung der Schwangerschaftskonfliktberatung zu verzichten; in der endgültigen Vernichtung der Befreiungstheologie.
Andere, das muss ich zugeben, scheinen endlich das ihnen mundende Futter gefunden zu haben. Sie werden fetter, vermehren sich und sammeln weitere Schäfchen um sich, die ihr Glück in festen Strukturen und Leitlinien zu finden glauben.
Aber: Lassen Sie sich nicht täuschen! Es gibt auch viele, sogar sehr viele hungernde Schafe! Und die suchen sich andere Weideplätze. Die Erfahrung von Freiheit lässt sich nicht zuschaufeln. Viele, die wie ich nach dem Wandel durch das Zweite Vatikanische Konzil zur Kirche zurückgefunden haben, lassen sich nicht mehr einengen. Und die, die in ihrer Jugend gelernt haben, in Freiheit zu glauben, werden ihren Weg weitergehen - wenn es sein muss, auch ohne die römisch-katholische Kirche.
In Ihrer Enzyklika Spe Salvi schreiben Sie selbst: »Strukturen sind nicht nur wichtig, sondern notwendig, aber sie können und dürfen die Freiheit des Menschen nicht außer Kraft setzen.« Soll das etwa nur für politische Systeme gelten? Können Sie sich nicht vorstellen, den Muff von tausend Jahren aus der Kirche hinauszupusten und anzukommen im Heute, im Jetzt? Was ängstigt Sie? Ist es die Angst des Petrus auf dem See Genezareth, beim Verlassen des sicheren Bootes zu ertrinken?
Ich bitte Sie, nein, ich fordere Sie auf, sich den vielen Menschen zuzuwenden, die sich nicht nur in Deutschland von der Kirche abwenden und im schlimmsten Falle in Sekten ihr Heil suchen. Hören Sie auf ihre Fragen und Sorgen und gehen Sie Wege, die in die Zukunft der Kirche und der Suchenden weisen!
Hören Sie auf die vielen Priester weltweit, die nicht ohne Sexualität leben können, vielleicht sogar eine Frau und Kinder haben und dennoch ihrer Gemeinde gute Priester sind.
Hören Sie auf die Frauen, die die Berufung zu einem priesterlichen oder diakonalen Amt in sich spüren, deren Bestätigung ihnen aber durch ihre eigene Kirche verwehrt wird.
Schauen Sie auf die Not der wiederverheirateten Geschiedenen und der Menschen, die in konfessionsverbindenden Ehen leben und auf die Eucharistie verzichten müssen.
Schauen Sie auf die Gemeinsamkeiten zwischen den protestantischen Kirchen und der katholischen Kirche und machen Sie den Schritt zur Überwindung der Trennung - durch die gegenseitige Zulassung zum Mahl, zu dem Christus alle einlädt.
Sehen Sie die Not der Frauen, die einen Abbruch ihrer Schwangerschaft erwägen, häufig von ihrer Familie dazu gedrängt, und Beratung und Unterstützung brauchen - nicht nur, wenn sie sich für das Austragen des Kindes entschieden haben.
Trauen Sie mündigen Christinnen und Christen zu, ihre Sexualität verantwortungsvoll zu leben.
Gestehen Sie den Katholikinnen und Katholiken, die sich für Reformen und Veränderungen einsetzen, zu, dass sie die Kirche nicht vernichten wollen, dass sie Christus und seiner frohen Botschaft nachfolgen wollen.
Vertrauen Sie auf die Charismen der Glaubenden, die größere Mitbeteiligung des Kirchenvolkes an den wichtigen Entscheidungen in der Kirche fordern.
Nur Mut! Auch Petrus hat im Vertrauen auf Jesus gelernt, auf dem Wasser zu gehen.
Ihre Annegret Laakmann
Annegret Laakmann, geboren 1943, ist Referentin der Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche« und Bundesvorsitzende der Schwangerenkonflikt-Beratungsinitiative » Frauenwürde e. V.«. Sie lebt in Haltern/Westfalen.
Zuletzt geändert am 07.03.2008