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Veröffentlicht am 28­.04.2008

28.4.2008 - welt-online

Vor Katholikentag: Reformen dringend gewünscht

Von Michael Donhauser

Osnabrück - Christian Weisner ist Kummer gewohnt. Als steter Kämpfer für Reformen in der katholischen Kirche hat er gelernt, ihn zu ertragen. Seit 1995 ficht Weisner als einer der Köpfe der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" für eine Erneuerung der Amtskirche. Die Abschaffung der Verpflichtung zur Ehelosigkeit für Priester, das gemeinsame Abendmahl von Katholiken mit Christen anderer Konfessionen, die Ökumene als Ganzes, eine offenere Sexualethik, die Beteiligung von Laien: Immer wieder gab es Rückschläge für die Reformer.

Der Vatikan sieht in Weisner nicht gerade einen Freund Roms, manche deutsche Bischöfe distanzieren sich. In konservativ- katholischen Internetforen muss sich der gelernte Städteplaner, der aus dem protestantisch geprägten Hannover stammt, von anonymen Schreibern gar als "ewiger Nörgler" beschimpfen lassen.

Doch Weisner denkt nicht daran zu resignieren. Den 97. Deutschen Katholikentag in rund vier Wochen in Osnabrück vor Augen, sagt der 57-Jährige: "Die Wirklichkeit sieht anders aus, als es die Amtskirche vorgibt." Die Katholiken in den USA hätten zwar Papst Benedikt XVI. bei seinem jüngsten Besuch zugejubelt. Inhaltlich seien aber fast zwei Drittel etwa bei den Fragen der Geburtenregelung, Scheidung und Wiederheirat nicht seiner Auffassung.

Glaubt man Weisner, haben viele katholische Priester beim Thema Zölibat, vom Münchner Erzbischof Reinhard Marx jüngst noch als "großer Schatz" bezeichnet, den Ungehorsam Rom gegenüber längst in die Tat umgesetzt. So leben in Südamerika Priester durchaus offen in Beziehungen.

Die Abschaffung der verpflichtenden Ehelosigkeit für katholische Priester ist aus Sicht von "Wir sind Kirche" nicht nur aus theologischer Perspektive ohne weiteres möglich. Für Christian Weisner ist sie wegen des gravierenden Priestermangels und der Überalterung des Klerus sogar dringend geboten. Von 1990 bis 2006 sei die Zahl der Katholiken in Deutschland um 9,1 Prozent zurückgegangen, die der Priester aber 27,8 Prozent. In den 26 Jahren des Pontifikats von Papst Johannes Paul II. ist die Zahl der Katholiken weltweit um 40 Prozent gestiegen, die Zahl der Priester aber um vier Prozent gesunken.

"Wir sind Kirche" ist mit zwei Veranstaltungen, einem Gottesdienst und einem großen Zelt auf der Kirchenmeile im Schlosspark beteiligt. dpa

Zuletzt geändert am 29­.04.2008